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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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gut; Danny mochte die meisten Erinnerungen ans Mao's, und er hatte das
Essen
dort immer gemocht. Der Satz, den er geschrieben hatte, war auch gut - er funktionierte, befand Danny. Nur der Zeitpunkt stimmte nicht, und er wollte sich die richtige Stelle merken, um die Frage unterzubringen. Ehe er sich den Satayspießen zuwandte, kringelte der Schriftsteller den Dialog einfach ein und schrieb eine Notiz an sich selbst an den Rand.
    »Noch nicht«, schrieb Danny. »Erzähl zuerst die Sache mit dem Spanferkel.«
     

10 - Lady Sky
    Der Frühling war in Iowa immer eine große Sache; die Felder trugen ein besonderes Grün, und die Kunst- und Literaturstudenten feierten ihn mit Spanferkel am Spieß. Als Student hatte Danny die meisten Partys des Autorenworkshops ausgelassen, doch jetzt wurde er von Katie zu den Künstlerpartys mitgeschleppt, die seiner Ansicht nach wesentlich wüster waren als die der Schriftsteller. Katie kannte jeden im Fachbereich Kunst, weil sie in den Aktzeichenkursen Modell stand - wie Danny früher in New Hampshire, mit dem Unterschied, dass er damals noch nicht verheiratet gewesen war. Danny war nicht wohl bei dem Gedanken, dass viele der älteren Semester - von einigen Dozenten ganz zu schweigen - seine Frau nackt gesehen hatten; die meisten kannte Danny nicht einmal mit Namen.
    Das spezielle Spanferkelgrillfest, bei dem Katie ihn dabeihaben wollte, war schwer zu finden gewesen. Der kleine Joe weinte auf der ganzen Fahrt nach Tiffin auf der U.S.
6,
doch Danny, der am Steuer saß, wollte partout nicht, dass Katie den Zweijährigen aus dem Kindersitz nahm. In Tiffin fuhren sie vom Highway ab, und kurz vor North Liberty merkten sie, dass sie sich verfahren hatten; entweder gab es die Buffalo Creek Road nicht, oder sie war nicht ausgeschildert, und bis sie das heruntergekommene Farmhaus endlich fanden, hatte Danny bereits reichlich Zeit gehabt, abfällige Bemerkungen über Kunststudenten loszuwerden (die unfähig waren, brauchbare Wegbeschreibungen zu geben, weil sie es entweder nicht so mit der Sprache hatten oder aber auf Abstraktion standen).
    »Dir ist es doch sowieso egal, ob wir diese dämliche Farm finden oder nicht«, hatte Katie gesagt. »Du willst eh nie auf die Partys gehen, zu denen ich eingeladen werde.«
    »Ich will auch nie auf die Partys gehen, zu denen
ich
eingeladen werde.«
    »Was dich zu einer echten Spaßbremse macht, Dumpfbacke«, sagte Katie.
    Der Farmer versorgte seine Schweine frühmorgens und dann wieder nachmittags. Er wohnte in einem der motelähnlichen, aber teuren Ranchhäuser an der Rochester Avenue in Iowa City und vermietete seine baufällige Farm an vier schmuddelige junge Männer, Kunststudenten in höheren Semestern. Katie bezeichnete sie als Künstler - als hätten sie schon irgendetwas erreicht.
    Ihr Mann war da zynischer; für ihn waren die vier Studenten auf der Schweinefarm nichts als drei malende Dilettanten und ein großkotziger Fotograf. Er wusste zwar, dass die malenden Dilettanten Katie alle in irgendeinem Aktzeichenkurs gezeichnet hatten, aber nicht, dass der großkotzige Fotograf sie nackt fotografiert hatte - mit dieser unerfreulichen Neuigkeit war Katie erst im Auto herausgeplatzt, als sie sich schon verfahren hatten -, so dass er nicht darauf gefasst war, in dem verwahrlosten Kunststudentenhaushalt neben Aktzeichnungen auch noch Aktfotos seiner Frau vorzufinden.
    In der Essküche des Farmhauses klebten an der Wand mehrere verschmierte Kohlezeichnungen, die Katie darstellen sollten. Der zweijährige Joe schien seine Mutter darauf nicht zu erkennen. »Hübscher Wandschmuck« war Dannys Kommentar dazu, und Katie quittierte ihn mit einem Achselzucken. Danny sah, dass ihr schon jemand ein Glas Wein in die Hand gedrückt hatte. Er hoffte, dass es auch Bier gab; Danny musste immer fahren, und mit ein paar Bier intus fuhr er etwas besser.
    Im Wagen hatte er zu seiner Frau gesagt: »Ich wusste nicht, dass Fotografen ebenfalls zu Aktzeichenkursen Zutritt haben.«
    »Haben sie auch nicht«, antwortete Katie. »Das wurde privat arrangiert.«
    »Aha,
arrangiert«,
höhnte er.
    »O Gott, jetzt wiederholst du alles«, hatte sie gesagt, »wie dein verdammter Vater.«
    Während Danny vergeblich im Kühlschrank nach Bier suchte, sagte ihm Joe, er müsse mal aufs Klo. Da Joe noch nicht regelmäßig aufs Töpfchen ging, meinte Dannys Sohn damit, dass seine Windel gewechselt werden musste.
    Normalerweise weigerte sich Katie, in ihrer Handtasche Windeln mitzunehmen, doch da

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