Letzte Nacht in Twisted River
gewesen war, als die Beziehung zu ihrem Literaturdozenten so unvermittelt und glatt endete. (Was musste danach noch groß erklärt werden?)
Die Tage, als der koreanische Arzt auf dem Kongress in Chicago und die kleine Soo bei ihnen war, verliefen recht angenehm. Und Joe konnte mit eigenen Augen sehen, wie ahnungslos ein zweijähriges Kind wirklich war - was die Gefahren des Straßenverkehrs anging, klar, aber auch was aus dem Himmel fallende Engel betraf. Der Achtjährige erlebte hautnah, dass die kleine Soo wirklich alles glaubte.
Das duftige Neglige unter dem Kissen auf Youns Seite des Bettes entpuppte sich als das beigefarbene, und Danny wartete einen geeigneten Augenblick ab, um es ihr zurückzugeben. Jetzt gab es in seinem Schlafzimmer
keinerlei
Spuren ihrer Anwesenheit mehr. Youn schlief mit ihrem Töchterchen in ihrem Schreibzimmer; beide waren klein genug, um in das Bett dieses Extragästezimmers zu passen, allerdings hatte Danny Youn vorgeschlagen, die kleine Soo in dem Extra-Extragästezimmer unterzubringen (in dem Youns Mann, wie Danny aufgefallen war, allein geschlafen hatte).
»Eine Zweijährige sollte nicht unbeaufsichtigt schlafen«, hatte Youn Danny geantwortet, dem klar wurde, dass er die Neugier falsch interpretiert hatte, mit der Youn Joe gemustert hatte. Sie hatte sich nur gefragt, welche Veränderungen sie bei ihrer Tochter im Alter zwischen zwei und acht Jahren erwarten konnte. (Für das, worüber sie schrieb und warum, würde es wohl nie eine zufriedenstellende Erklärung geben, nahm Danny an.)
Als Kyung aus Chicago zurückkam und bald darauf mit seinem Töchterchen nach Seoul zurückflog, beeilte sich Youn, eine eigene Unterkunft zu finden, und im nächsten Semester wechselte sie in den Literaturworkshop eines anderen Dozenten. Ob sie ihren Roman beendete, war für den Autor Danny Angel bedeutungslos. Auch ob Youn den Roman eines Tages veröffentlichen würde, spielte für Danny keine große Rolle, der aus erster Hand wusste, dass während ihrer Zeit in Iowa City ihr fiktives Leben äußerst erfolgreich gewesen war.
Ein wenig länger Bestand hatte Yi-Yiings erfolgreicher Versuch, sich als Dannys Freundin auszugeben. Die Krankenschwester war zwar nicht kokett veranlagt, doch noch Monate nachdem sie so tun musste, als seien sie und Danny ein Paar, rieb sich Yi-Yiing gelegentlich im Vorbeigehen an dem Schriftsteller oder fuhr mit den Fingern oder ihrem Handrücken über seine Wange. Offenbar geschah das völlig unbewusst, denn sie hielt jedes Mal sofort instinktiv wieder inne, kaum dass sie damit begonnen hatte. Danny bezweifelte, dass der Koch es je mitbekam; falls Joe es bemerkte, schenkte der Achtjährige dem keine Beachtung.
»Wäre es dir lieber, wenn ich im Haus normale Sachen anziehen würde?«, fragte Yi-Yiing eines Tages Danny. »Ich meine, vielleicht reicht es allmählich mit den Pyjamas.«
»Aber du bist doch die Pyjama-Lady - die bist und bleibst du«, antwortete Danny ausweichend.
»Du weißt, was ich meine«, entgegnete Yi-Yiing.
Sie zog keine mehr an - oder sie
schlief
nur noch im Pyjama. Ihre normale Kleidung war eine zuverlässigere Barriere zwischen ihnen, und der gelegentliche Kontakt - wenn sie ihn im Vorbeigehen streifte, wenn ihre Fingerspitzen oder die Knöchel ihrer kleinen Hände ihn berührten - hörte auch bald auf.
»Mir fehlen Yi-Yiings Pyjamas«, gestand Joe eines Morgens seinem Dad auf dem Schulweg.
»Mir auch«, sagte Danny, doch inzwischen hatte der Schriftsteller schon etwas mit einer anderen Frau.
Als Youn aus ihrem Leben verschwunden war - besonders später, während ihres letzten Jahres in Iowa City, als sie in dem dritten Haus in der Court Street wohnten -, nahmen Vater und Sohn ihre vertrauten Gewohnheiten wieder auf, als wäre nichts geschehen. Das dritte Haus stand auf der anderen Seite der Court Street, in der Nähe der Summit Street, und dort traf sich Danny tagsüber zu diskreten Schäferstündchen mit der unglücklichen Frau eines Dozenten, der sie betrog. Auch die Gasse hinter dem Haus - wo Joe, dem Selbstmitleid nahe, zusehen musste, wie Max auf seinem »Zweitrad« rutschen übte - war aus ihrem Leben verschwunden, genau wie das Opossum. Die Yokohamas, Sao und Kaori, wechselten sich immer noch als Joes Babysitterinnen ab, und alle erwähnten Personen verspürten offenbar das gesteigerte Bedürfnis (oder war es Verzweiflung?), sich bei Mao's zu treffen.
Der Koch wusste schon im Voraus, wie sehr ihm die Brüder Cheng fehlen würden -
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