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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Küche betrat.
    »Die beiden alten Schnepfen wollen wissen, ob es in deinem Pizzateig eine geheime Zutat gibt, Tony«, informierte Celeste den Koch.
    »Und ob es die gibt -
Honig«,
antwortete Tony Angel.
    »Darauf wäre ich nie gekommen«, sagte Celeste. »Das ist ein echtes Geheimnis.«
    Draußen im Speiseraum fiel Danny Angel plötzlich ein, wo er Menschen so hatte fressen sehen, wie diese beiden alten Frauen ihre Pizzas runterschlangen, wie Tiere. So hatten die Wald- und Sägewerksarbeiter gegessen - nicht nur im Kochhaus in Twisted River, sondern auch in den behelfsmäßigen Wanigans, wenn er und sein Vater die Holzfäller früher während einer Trift verpflegt hatten. Diese Männer aßen, ohne dabei zu reden; manchmal hatte selbst Ketchum kein Wort gesagt. Doch diese rabiat aussehenden Weiber konnten unmöglich Holzfäller gewesen sein, dachte Danny gerade, als Loretta seinen Gedankengang unterbrach.
    »Überraschung!«, rief die Kellnerin und stellte das Tintenfischgericht vor ihn hin.
    »Ich hatte auf Calamari gehofft«, sagte Danny.
    »Ha!«, machte Loretta. »Ich sag's deinem Dad.«
    May hatte als Erste ihre Salamipizza aufgegessen, und wer sah, wie sie das letzte Stück auf Dots Teller beäugte, hätte sich vielleicht bemüßigt gefühlt, Dot zu warnen, dass sie ihrer alten Freundin nie ganz trauen sollte. »Anscheinend hat mir meine ein bisschen besser geschmeckt als dir deine«, sagte May.
    »Mir schmeckt meine ganz gut«, entgegnete Dot mit vollem Mund, während sie mit Daumen und Zeigefinger rasch den Rand des kostbaren letzten Pizzastücks packte.
    May schaute weg. »Endlich isst der Schreiberling was, und es sieht ziemlich lecker aus«, bemerkte sie. Dot grunzte nur und aß ihre Pizza auf.
    »Würdest du sagen, sie schmeckt
fast
so gut wie die von Cookie?«, fragte May.
    »Nö«, sagte Dot und wischte sich über den Mund, »keine Pizza ist so gut wie die von Cookie.«
    »Ich sagte
fast,
Dot.«
    »Dicht
dran vielleicht«, meinte Dot.
    »Hoffentlich haben die Damen noch genug Appetit für eine Nachspeise«, sagte Celeste. »Offenbar waren die Pizzas genau nach Ihrem Geschmack.«
    »Was ist die geheime Zutat?«, fragte May die Kellnerin.
    »Das erraten Sie nie«, sagte Celeste.
    »Bestimmt ist es
Honig«,
sagte Dot; sie und May gackerten wieder los, hörten aber auf zu gackern, als sie merkten, wie die Kellnerin sie ansah. (Es kam nicht sehr oft vor, dass Celeste sprachlos war.)
    »Moment mal«, sagte May. »Es ist
wirklich
Honig, ja?«
    »Das hat der Koch jedenfalls gesagt - er tut Honig in seinen Teig«, antwortete Celeste.
    »Na klar, und als Nächstes wollen Sie uns weismachen, dass der Koch
hinkt«,
sagte Dot. Das fanden die beiden alten Schachteln nun wirklich zum Schießen; Dot und May konnten gar nicht aufhören, über den Witz zu gackern, doch Celestes verdutzte Miene entging ihnen nicht. (Sie sprach Bände: Jawohl, der Koch hinkte, und zwar gewaltig!)
    Danny hatte Fetzen ihres Gesprächs aufgeschnappt, ehe die beiden anfingen, unkontrolliert zu gackern. Er hatte gehört, wie Celeste etwas von Honig sagte, den sein Dad in den Pizzateig gab, und wie eine der beiden Alten sich über das Hinken des Kochs lustig machte. Danny wurde wachsam, wenn es um das Hinken seines Vaters ging; zu diesem Thema hatte er so viele Witze gehört, dass sie für ein ganzes Leben reichten, hauptsächlich von den Dödeln aus West Dummer, in der hundsmiserablen Schule der Paris Manufacturing Company. Und warum sah Celeste plötzlich so bestürzt aus?, fragte sich Danny.
    »Hatten sich die Damen nicht für den Kuchen und den Cobbler interessiert?«, fragte die Kellnerin.
    »Moment mal«, wiederholte May. »Soll das heißen, der Koch hinkt?«
    »Er hinkt
ein wenig«,
antwortete Celeste zögerlich, hatte es aber praktisch bereits zugegeben.
    »Woll'n Sie uns verarschen?«, fragte Dot die Kellnerin.
    Celeste wirkte pikiert, aber auch beunruhigt; sie wusste zwar, dass etwas nicht stimmte, wusste aber nicht, was es war oder warum. Genauso wenig wie Danny, der auch beunruhigt aussah.
    »Hören Sie, unser Koch hinkt, und er tut Honig in seinen Pizzateig - das ist doch keine große Sache«, sagte Celeste zu ihnen.
    »Für
uns
ist es vielleicht eine große Sache«, gab May zurück.
    »Ist er ein kleiner Kerl?«, fragte Dot.
    »Genau - und wie heißt er?«, fragte May.
    »Ich würde sagen, unser Koch ist von... schmächtiger Statur«, antwortete Celeste vorsichtig. »Er heißt Tony.«
    »Oh«, sagte Dot enttäuscht.
    »Tony«,

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