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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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noch italienisch.«
    »Du siehst furchtbar aus, Cookie - du bist ja weiß wie die Wand!«, sagte May.
    »In der Küche kriege ich kaum Sonnenschein ab«, erwiderte der Koch.
    »Du siehst aus, als hättest du dich unter einem Felsen versteckt«, befand Dot.
    »Wieso seid du und Danny so erschrocken, uns zu sehen?«, fragte ihn May.
    »Sie tun uns gegenüber immer so
arrogant«,
erinnerte Dot ihre Freundin. »Schon als Kind warst du ein arroganter kleiner Rotzlöffel«, sagte sie zu Danny.
    »Wo lebt ihr inzwischen?«, fragte der Koch die beiden. Er hoffte, dass sie in der Nähe wohnten - irgendwo in Vermont oder im Staat New York -, aber ihr Dialekt und allein schon ihr Aussehen verrieten ihm, dass sie immer noch im Coos County lebten.
    »In Milan«, antwortete May. »Ab und an sehen wir deinen Kumpel Ketchum.«
    »Nicht dass Ketchum uns grüßen würde oder so was«, sagte Dot. »Ihr wart alle immer dermaßen arrogant - ihr drei
und
die Indianerin!«
    »Na dann ...«, begann der Koch; seine Stimme erstarb. »Ich habe viel zu tun, in der Küche.«
    »Zuerst wolltest du Honig in den Teig tun, dann wieder nicht. Dann hast du deine Meinung
noch mal
geändert, schätze ich«, sagte May zu ihm.
    »Das stimmt«, erwiderte der Koch.
    »Ich werd mal einen Blick in die Küche werfen«, sagte Dot plötzlich. »Den beiden glaub ich kein einziges Wort. Ich wird selber nachsehen, ob Jane noch bei ihm ist!« Weder Danny noch sein Dad machten Anstalten, sie aufzuhalten. May blieb einfach bei ihnen und wartete, während Dot die Küche betrat. »Da drin sind zwei heulende Kellnerinnen, ein junger Koch,  so 'ne Art Hilfskellner und ein Junge, ein Tellerwäscher oder so - keine Indianerin«, verkündete Dot, als sie zurückkam.
    »O Mann, du siehst mir ganz so aus, als würdest du deinen Schniepel wo reinstecken, wo du's besser nicht tun solltest, Cookie!«, sagte May. »Und du auch«, sagte sie zu Danny. »Hast du Frau und Kinder oder so?«
    »Keine Frau, keine Kinder«, antwortete Danny - wieder zu rasch.
    »Blödsinn«, sagte Dot. »Der lügt doch wie gedruckt!« »Und du vögelst wohl auch niemanden?«, fragte May den Koch. Der gab keine Antwort, sondern sah immer nur seinen Sohn Daniel an. In Gedanken waren sie weit weg, hatten diesen Augenblick im Avellino längst hinter sich gelassen. Wie rasch konnten sie aufbrechen? Wohin würden sie diesmal fliehen? Wie lange würde es dauern, bis diese alten Zimtzicken Carl über den Weg liefen, und was würden sie ihm erzählen, wenn sie ihm begegneten? (Carl wohnte in Berlin, Ketchum in Errol. Milan lag dazwischen.)
    »Wenn du mich fragst, bumst Cookie unsere Kellnerin - die ältere«, sagte Dot zu May. »Die heult am meisten.«
    Der Koch machte einfach kehrt und steuerte auf die Küche zu. »Sag ihnen, das Essen geht aufs Haus, Daniel - Gratispizza, Gratisnachtisch«, sagte er im Gehen.
    »Das musst du uns nicht sagen - wir haben es gehört«, sagte May zu Danny.
    »Warum bist du nicht einfach ein bisschen
nett
zu uns - schön, euch zu sehen, oder so was!«, rief Dot dem Koch nach, doch der war schon weg. »Du musst uns kein Essen ausgeben, Cookie!«, schrie Dot in Richtung Küche, ging ihm aber nicht nach.
    May legte Geld auf Dannys Tisch, zu viel für das Abendessen der beiden, doch Danny ließ sie gewähren. »Und den Kuchen und den Cobbler haben wir nicht mal gegessen!«, sagte sie ihm. May zeigte auf das Notizbuch. »Was bist du denn, der Scheißbuchhalter oder was? Du führst Buch, hm?«
    »So ist es«, sagte er.
    »Du und dein Dad, ihr könnt mich mal«, sagte Dot zu ihm.
    »Cookie war immer ein dünkelhafter Kerl, und du warst immer ein dünkelhaftes
Bürschchen!«,
legte May nach.
    »Tut mir leid.« Danny wollte einfach nur, dass sie gingen, damit er sich auf das konzentrieren konnte, was er und sein Dad noch alles machen mussten, und darauf, wie viel oder wie wenig Zeit ihnen dafür blieb - angefangen damit, dass sie es Ketchum erzählten.
    Unterdessen war die Gruppe von acht Personen immer noch nicht bedient, und an einem anderen Tisch saßen drei verdutzt dreinschauende Paare. Alle hatten sie die Auseinandersetzung genau beobachtet, doch die war jetzt vorbei. Dot und May brachen auf. Beim Verlassen des Restaurants zeigten beide Danny den Stinkefinger. Einen verwirrenden Moment lang - fast so, als wären die beiden nicht real oder als hätten sie nie den Weg ins Avellino gefunden - schienen die alten Damen nicht zu wissen, welche Richtung sie auf der Main Street einschlagen

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