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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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dazwischen, und sie sind Gummi.«
    Diesen Monolog über Tintenfisch hörte Greg nicht zum ersten Mal. »Hm-m«, machte der Sous-Chef.
    Die Calamari, die der Koch für seinen Sohn Daniel zubereitete, gehörten zu der
Ewig-Variante.
Tony Angel dünstete sie langsam mit geschälten Dosentomaten und Tomatenmark - und mit Knoblauch, Basilikum, Chiliflocken und schwarzen Oliven. Gegen Ende fügte er Pinienkerne und gehackte Petersilie hinzu, und er servierte den Tintenfisch auf Penne, mit noch mehr gehackter Petersilie bestreut. (Nie mit Parmesan, nicht zu Calamari.) Nach der Pasta würde Daniel nur einen kleinen Rucolasalat bekommen, vielleicht mit ein wenig Ziegenkäse; der Koch hatte einen recht guten Vermonter
chevre
aus der Gegend.
    Doch in diesem Moment waren die Salamipizzas fertig, die der Koch aus seinem Stanley-Holzofen zog.
(»She bu de«,
flüsterte er dem alten irischen Ofen zu, worauf Greg ihm prompt den nächsten Blick zuwarf.)
    »Du weinst schon wieder - ist dir das klar?«, sagte Celeste zu Tony. »Willst du darüber reden?«
    »Das müssen die Zwiebeln sein«, antwortete der Koch.
    »Blödsinn, Tony«, sagte sie. »Sind das meine Salami für die alten Schnepfen da draußen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr Celeste fort: »Wehe, es sind nicht meine Pizzas. So hungrig, wie die ollen Mädels aussehen, würden sie glatt Danny als Vorspeise essen.«
    »Nun nimm sie endlich mit«, sagte Tony Angel zu Celeste. Er hatte die Penne schon in den Topf mit kochendem Wasser gegeben. Jetzt nahm er eine mit einem Schaumlöffel heraus und probierte sie, wobei er Celeste bei ihrem dramatischen Abgang aus der Küche nicht aus den Augen ließ. Loretta sah ihn prüfend an, als wolle sie einen Code entschlüsseln. »Was ist?«, fragte der Koch.
    »Geheimnisvoller Mann«, sagte Loretta. »Danny ist auch ein geheimnisvoller Mann, stimmt's?«
    »Du bist genauso dramatisch veranlagt wie deine Mutter«, antwortete der Koch lächelnd.
    »Sind die Calamari fertig, oder erzählst du ihnen deine Lebensgeschichte?«, fragte ihn Loretta.
    Im Speiseraum rief Dot: »He, die Pizza sieht aber dünn aus!«
    »Die ist echt dünn«, sagte May anerkennend.
    »Unser Koch macht tolle Pizzas«, teilte Celeste ihnen mit. »Bei ihm werden sie immer dünn.«
    »Was tut er in den Teig?«, wollte Dot von der Kellnerin wissen.
    »Genau, was ist seine geheime Zutat?«, fragte May.
    »Ich weiß gar nicht, ob er eine hat«, antwortete Celeste. »Ich frag ihn mal.« Die beiden langten zu und beachteten sie nicht mehr. »Hoffentlich sind die Damen hungrig«, fügte Celeste hinzu, als sie sich zum Gehen wandte. Dot und May aßen einfach weiter; jetzt war nicht die Zeit zum Reden.
    Dannys Irritation wuchs, als er die Frauen essen sah. Wo hatte er Leute so essen sehen?, überlegte er. Bestimmt nicht in Exeter, wo es zwar nicht auf Tischmanieren ankam, aber das Essen scheußlich war. In Exeter stocherte man höchst misstrauisch in seinem Essen herum - und man redete pausenlos, sei es auch nur, um sich von den Speisen abzulenken.
    Die alten Frauen hatten zusammen geredet und geflüstert (und wie Hühner
gegackert),
doch jetzt wechselten sie kein Wort mehr miteinander, sahen sich nicht einmal an. Die Unterarme auf den Tisch gelegt, beugten sie sich mit gesenktem Kopf über ihren Teller. Die Schultern hatten sie hochgezogen, als wollten sie einen Angriff von hinten abwehren, und Danny stellte sich vor, wenn er näher bei ihnen säße, würde er sie vielleicht stöhnen oder brummen hören - ein Geräusch, das so eng mit Essen verbunden war, dass es den Frauen nicht bewusst war und sie es schon lange nicht mehr hörten.
    Im North End hatte keiner so gegessen, dachte der Schriftsteller. Im Vicino di Napoli war eine Mahlzeit ein Fest, ein Ereignis, das zu Tischgesprächen animierte; die Menschen beschäftigten sich beim Essen miteinander. Und im Mao's unterhielt man sich nicht nur beim Essen, man
schrie.
Und man teilte die Speisen miteinander, während diese beiden alten Schachteln ihre Pizzas offenbar voreinander abschirmten. Wie Hunde schlangen sie ihr Essen hinunter. Danny wusste, dass sie keinen Krümel übriglassen würden.
    »Auf die Red Sox kann man sich einfach nicht verlassen«, sagte Greg gerade, doch der Koch konzentrierte sich auf das Überraschungs-Tintenfischgericht für seinen Sohn; er hatte gar nicht mitbekommen, was während der Baseballübertragung passiert war.
    »Daniel mag besonders viel Petersilie«, sagte er gerade zu Loretta, als Celeste die

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