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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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sollen«, sagte ihm Ketchum. »Ihr müsst so schnell wie möglich das Land verlassen!«
    »Das
Land?«,
wiederholte Danny ungläubig.
    »Du bist ein berühmter Schriftsteller! Weshalb musst du in diesem Scheißland leben?«, wollte Ketchum wissen. »Schreiben kannst du schließlich überall, oder nicht? Und wie lange noch, bis sich Cookie aufs Altenteil zurückzieht? Und
kochen
kann er schließlich auch überall - oder nicht? Achtet nur drauf, dass es kein
italienisches
Restaurant ist! Danach wird der Cowboy suchen. Und Cookie braucht einen neuen Namen.«
    »Dot und May haben den Namen
Angel
nie gehört«, sagte Danny zu Ketchum.
    »Aber Carl könnte ihn hören - wenn er euch beide suchen kommt, Danny. Ganz gleich, wie lange ihr weg seid, irgendwer kann dem Cowboy den Namen
Angel
einflüstern.«
    »Ich soll meinen Namen wohl auch ändern? Nun bleib aber auf dem Teppich, Ketchum - ich bin
Schriftsteller!«
    »Dann behalt ihn eben«, sagte Ketchum unwirsch. »Der Cowboy ist kein Leser, das geb ich zu. Aber Cookie darf nicht mehr Tony Angel heißen - sogar mit Dominic Baciagalupo wäre er besser bedient! Danny, lass ihn auf keinen Fall in einem Restaurant mit einem italienischen Namen arbeiten, nicht mal im Ausland.«
    »Ich habe einen Sohn, Ketchum - er ist
Amerikaner,
weißt du noch?«
    »Joe wird in
Colorado
studieren«, erinnerte ihn Ketchum. Das wurmte Danny: Dass Joe nach Boulder auf die University of Colorado gehen wollte, war für seinen Dad eine gewisse Enttäuschung. Joe hätte auf bessere Unis gehen können, wie Danny fand. Er war der Ansicht, Joe wolle zum
Skifahren
nach Colorado, nicht wegen des Studiums; außerdem hatte der Schriftsteller gelesen, dass in Boulder wüste Partys gefeiert wurden. »Carl weiß nicht mal, dass du ein Kind hast«, gab Ketchum zu bedenken. »Wenn du außer Landes bist, kümmere
ich
mich um Joe.«
    »In Colorado?«
    »Eins nach dem anderen, Danny«, sagte Ketchum. »Verpisst euch aus Vermont, aber dalli - du und dein Dad! Derweil kann ich mich um deinen Jungen kümmern - jedenfalls bevor er nach Colorado geht.«
    »Vielleicht können Paps und ich auch nach Colorado ziehen«, schlug Danny vor. »Da ist es ein wenig wie in Vermont, nehme ich an - es gibt Berge, nur dass sie höher sind. Boulder ist eine Universitätsstadt, und Iowa City hat uns allen gefallen. In einer Universitätsstadt fallen Schriftsteller nicht weiter auf. Auch ein Koch würde in Boulder nicht weiter auffallen, oder? Es muss ja kein
italienisches -«
    Ketchum unterbrach ihn. »Anscheinend hast du nicht mehr Hirn als ein Krümel Waschbärenscheiße, Danny! Ihr beide seid beim ersten Mal geflohen, jetzt müsst ihr weiterfliehen! Glaubst du, es kümmert Carl, dass ihr eine
Familie
seid? Der Cowboy hat keine Familie - er ist ein verdammter
Killer,
Danny, und er hat eine
Mission!«
    »Ich werde dir unsere Entscheidung mitteilen, Ketchum«, sagte Danny dem alten Freund seines Vaters.
    »Carl weiß einen Scheißdreck von fremden Ländern«, sagte Ketchum. »Teufel auch, Boston war für ihn nicht fremd genug. Glaubst du etwa, Colorado wäre für den Cowboy zu weit weg, um euch zu finden? Colorado hat viel von New Hampshire - da haben sie
Schusswaffen,
nicht wahr? In Colorado könnte man bewaffnet rumlaufen, und niemand würde zweimal hinsehen, hab ich nicht recht?«
    »Ich nehme es an«, sagte Danny. »Ich weiß, dass du uns liebst, Ketchum.«
    »Ich hab deiner Mom versprochen, mich um dich zu kümmern!«, schrie Ketchum; seine Stimme brach.
    »Tja, das machst du ja wohl auch«, sagte Danny, doch Ketchum hatte aufgelegt. Später erinnerte sich Danny an den Song, der gerade im Radio lief; es war Neil Youngs
After the Gold Rush,
ein Song aus den Siebzigern. (Als Danny das Spiel der Red Sox weggedreht hatte, war er unabsichtlich bei Gregs Oldie-Sender gelandet.)
    I was
thinking about what a
    Friend had said.
    I was hoping it was a lie.
    Danny sah, dass sein Vater wieder in seinen Saucen rührte; dann begann der Koch, den Teig für, wie es schien, noch drei oder vier Pizzas auszurollen. Greg grillte etwas, doch der Sous-Chef hielt inne, um eine Schüssel aus dem Backofen zu nehmen. Keine der Kellnerinnen war in der Küche, doch der Hilfskellner füllte gerade zwei Brotkörbchen.
    Der Tellerwäscher wartete auf dreckiges Geschirr; der ernst wirkende Jugendliche las in einem Taschenbuch. Wahrscheinlich für die Schule, dachte Danny; heutzutage lasen junge Leute kaum noch aus eigenem Antrieb. Danny fragte den Jungen, was er

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