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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Alkoholproblem. In der überarbeiteten Fassung hört die Danny-Figur, der trauernde Vater, zwar nicht auf zu trinken, ist aber kein Alkoholiker. (Er ist wegen seines Alkoholkonsums nie gefährdet oder arbeitsunfähig, sondern nur depressiv.)
    In den ersten Jahren nach Joes Tod versuchte der Koch gelegentlich, seinen Sohn zu überreden, mit dem Trinken wieder aufzuhören. »Wenn du's sein lässt, fühlst du dich besser, Daniel. Irgendwann wirst du dir wünschen, du hättest nicht wieder damit angefangen.«
    »Nur zu Recherchezwecken, Paps«, erzählte Danny seinem Dad, doch diese Antwort war nicht mehr plausibel - nicht nachdem er
Baby auf der Straße
umgeschrieben hatte und das Buch seit fünf Jahren fertig war. In dem neuen Roman, an dem Danny jetzt schrieb, tranken die Hauptpersonen nicht; Danny trank nicht um der »Recherche« willen - das hatte er nie getan.
    Doch der Koch bekam mit, dass Danny nicht exzessiv trank. Er genehmigte sich vor dem Abendessen das eine oder andere Bier - den Geschmack von Bier hatte er immer gemocht - und zum Essen höchstens ein, zwei Gläser Rotwein. (Ohne den Wein konnte er nicht einschlafen.) Dem Koch war klar, dass sein Daniel nicht mehr ein so starker Trinker war wie früher.
    Dominic bekam auch mit, wie melancholisch sein Sohn weiterhin war. Nach Joes Tod bemerkte Ketchum, dass Dannys Melancholie ein Dauerzustand geworden war. Das fiel selbst den Journalisten auf, die ihn interviewten, und generell allen, die ihm zum ersten Mal begegneten. Ihn überraschte nicht, dass man ihm in vielen Interviews zu
Baby auf der Straße
und zum zentralen Thema des Romans - dem Tod eines Kindes - sehr persönliche Fragen stellte. In jedem Roman gibt es Stellen, die dem Autor unerträglich nahegehen, weil sie Teile seines Lebens berühren, über die er lieber nicht sprechen würde.
    Genügte es nicht, dass Danny alles unternommen hatte, um die autobiographischen Bezüge zu verwischen? Er hatte aufgebauscht, er hatte übertrieben, er hatte die Geschichte bis an die Grenzen der Glaubwürdigkeit überzeichnet - er hatte seinen Figuren, die er so glaubwürdig wie möglich gestaltet hatte, die schrecklichsten Dinge widerfahren lassen. (»Sogenannte echte Menschen sind nie so komplett wie vollständig der Phantasie entsprungene Figuren«, hatte der Romancier wiederholt erklärt.) Doch die Journalisten hatten ihn fast nichts über die Handlung und die Figuren in
Baby auf der Straße
gefragt, sondern hauptsächlich wissen wollen, wie er mit dem Tod seines Sohnes »umging«. Hatte die Tragödie, die dem Schriftsteller »im wirklichen Leben« widerfahren war, ihn die Bedeutung der Literatur neu überdenken lassen - das Gewicht, die Geltung, den relativen Wert des »nur« Ausgedachten?
    Derlei Fragen machten Danny schier wahnsinnig, doch er erwartete zu viel von den Journalisten; den meisten fehlte die Phantasie, sich vorzustellen, dass irgendetwas Glaubhaftes in einem Roman »komplett ausgedacht« war. Und diejenigen Journalisten, die sich selbst schriftstellerisch betätigten, waren Anhänger von Hemingways leidigem Diktum, man solle nur über das schreiben, was man kenne. Was war das für ein Blödsinn? Romane sollten von Menschen handeln, die man kennt? Wie viele realistische, aber lähmend langweilige Romane waren diesem albernen und völlig uninspirierten Ratschlag zu verdanken?
    Aber hätte Danny nicht voraussehen müssen, dass die Interviewfragen zu
Baby auf der Straße
zwangsläufig in Richtung Privatsphäre gehen würden? Selbst Leute, die Dannys Romane nicht kannten, hatten von Joes tödlichem Unfall gehört. (Der Cowboy allerdings offenbar nicht, wie Ketchum erleichtert feststellte.) Und wie vorauszusehen, gab es auch die üblichen Storys über das draufgängerische Leben von Prominentenkindern - was in Joes Fall ungerecht war, denn Joe war an dem Unfall offenbar nicht schuld und hatte auch nichts getrunken. Doch auch das hätte Danny vorhersehen können: Bevor nachgewiesen wurde, dass Alkohol keine Rolle gespielt hatte, meldeten sich schon Medienvertreter zu Wort, die davon ausgingen, dass es so war.
    Gleich nach dem Unfall - und später wieder, als
Baby auf der Straße
erschien - hatte sich Dominic zunächst bemüht, seinen Sohn vor dessen Fanpost abzuschirmen. Danny hatte seinem Dad die Lektüre überlassen und akzeptiert, dass der Koch entschied, welche Briefe er sehen sollte und welche nicht. Und so ging der Brief von Lady Sky verloren.
    »Du hast ein paar sonderbare Leser«, hatte sich der

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