Letzte Nacht in Twisted River
einfach einzutreten. Stattdessen hatte sie einen Hintereingang gesucht.
»Heros Hundebett hab ich in die Küche gelegt - er ist es schließlich gewohnt, in Küchen zu schlafen«, sagte Pam. »Ketchum hat mir gesagt, ich soll einfach reingehen, weil du die Bude nie abschließt. Hübsches Haus. Ich hab meine Sachen in das Schlafzimmer getan, das von deinem am weitesten entfernt liegt— das mit den vielen Fotos von der schönen Frau. Wenn ich da einen meiner Alpträume kriege, wecke ich dich vielleicht nicht auf.«
»Hero ist hier?«, fragte Danny.
»Ketchum sagte, du brauchtest einen Hund, aber von meinen kriegst du keinen«, sagte Sixpack. »Hero ist zu anderen Hunden nicht besonders nett - meine Hunde werden ihm keine Träne nachweinen.«
»Du bist den weiten Weg gefahren, um mir Hero zu bringen?«, fragte Danny. (Dem natürlich klar war, dass hinter Six-packs Besuch mehr steckte.)
»Ketchum sagte, ich müsse dich persönlich sprechen. Keinen Anruf, keinen Brief und kein Fax - nichts von dieser ganzen Kinderkacke«, antwortete Sixpack. »Ketchum war's anscheinend wichtig, weil er alles aufgeschrieben hat. Außerdem ist noch mehr Krempel da, den du haben sollst - liegt alles in seinem Track.«
»Du bist mit Ketchums Pick-up hier?«, fragte Danny.
»Der Truck ist nich für dich, mit dem fahr ich wieder zurück«, sagte Pam. »Der ist nichts für die Stadt, Danny - außerdem würdest du ihn eh nicht wollen, weil er immer noch stinkt, als hätte 'n Bär reingeschissen.«
»Wo ist Ketchum? Was ist passiert?«, wollte Danny wissen.
»Wir sollten mit dem Hund Gassi gehen oder so was«, schlug Sixpack vor.
»Damit wir unter uns sind, meinst du?«, fragte Danny.
»Herrgott noch mal, Danny, manche Leute hier wurden schon hochnäsig
geboren!«,
sagte Sixpack.
An diesem Abend war das Kiss of the Wolf gut besucht; seit der Namensänderung und dem neuen Bistro-Konzept von Patrice war das Restaurant abends meist brechend voll. Manchmal fand Danny, die Tische stünden zu dicht zusammen. Als er und Sixpack aufbrachen, schien sich Pam wegen ihrer kaputten Hüfte aufstützen zu wollen, doch bald merkte Danny, dass sie sich absichtlich auf den Nebentisch stützte, wo ein Paar saß, das sie während des gesamten Essens angeglotzt hatte. Als Prominenter war Danny es gewohnt - und nahm es fast nicht mehr wahr -, dass Leute ihn anstarrten, aber Pam hatte offenbar etwas dagegen. Sie kippte die Wein- und Wassergläser des Paares um; als Sixpack plötzlich ihr Gleichgewicht wiedergewann, schlug sie dem sitzenden Herrn ihren Unterarm ins Gesicht. Zu der verdutzt dreinblickenden Frau an dem verwüsteten Tisch sagte sie: »Das hat er davon, dass er mich angeglotzt hat - als würden meine Titten raushängen oder so was.«
Ein Kellner und ein Hilfskellner eilten herbei, um den Schaden zu beheben, während Patrice elegant und diskret zu Danny huschte und ihn unter der Tür umarmte.
»Wieder
ein unvergesslicher Abend - absolut unvergesslich, Daniel!«, flüsterte er ihm ins Ohr.
»Die Hintertür ist halt eher mein Ding«, sagte Sixpack bescheiden zu dem Besitzer des Kiss of the Wolf.
Als sie an der Yonge Street darauf warteten, dass die Fußgängerampel grün wurde, sagte Danny zu Sixpack: »Sag's mir einfach, verdammt noch mal! Sag mir
alles.
Lass kein Detail aus.«
»Lass uns erst nachsehen, wie's Hero geht, Danny«, erwiderte Sixpack. »Ich übe noch, was ich sagen muss. Wie du dir denken kannst, hat Ketchum mir haufenweise Anweisungen hinterlassen.« Es stellte sich heraus, dass Ketchum etliche Seiten mit »Anweisungen« in einem Umschlag in das Handschuhfach seines Pick-ups gelegt hatte. Die Klappe des Handschuhfachs hatte offen gestanden, damit Pam den Umschlag nicht übersah, der unter Ketchums Pistole steckte. (»Ein besserer Briefbeschwerer war gerade nicht zur Hand«, wie Sixpack sagte.)
Jetzt sah Danny, dass Ketchums Truck in der Auffahrt des Hauses am Cluny Drive stand, als hätte Ketchum seine Meinung geändert und sei doch zu einem Weihnachtsbesuch vorbeigekommen. Hero schien sein Hundebett zu bewachen und knurrte Sixpack und Danny an - eine mürrische Begrüßung. Pam hatte ihm schon die Scheide von Ketchums Browning-Messer in sein Hundebett gelegt; vielleicht als eine Art Schnuller, dachte Danny. Er hatte das lange Browning-Messer auf der Küchenablage entdeckt und rasch wieder weggeschaut. Die ganze Küche stank nach Heros Fürzen - womöglich das ganze Erdgeschoss des Hauses. »Herrje, was ist denn mit
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