Letzte Nacht in Twisted River
Heros
Auge?«,
fragte Danny Pam.
»Kein Lid mehr. Erzähl ich dir später. Aber glotz nicht, es ist ihm so schon peinlich genug«, sagte Sixpack.
Danny sah, dass sie Ketchums Lieblingsmotorsäge in den Fitnessraum gebracht hatte. »Was soll ich mit der Motorsäge?«, fragte er Pam.
»Ketchum sagte, du sollst sie haben«, antwortete Sixpack. Vielleicht um das Thema zu wechseln, fuhr sie fort: »Wenn ich raten müsste, würd ich sagen, Hero muss mal kacken.«
Sie gingen mit Hero in den Park. Überall um sie herum glitzerte die Weihnachtsbeleuchtung. Als sie zurückkamen, setzten sie sich an den Küchentisch, während sich der Jagdhund, offenbar absichtlich, in einiger Entfernung hingelegt hatte und sie nun beobachtete. Pam hatte sich etwas Whiskey in ein Schnapsglas gegossen.
»Ich weiß, dass du weißt, was ich dir jetzt erzählen werde, Danny - nur das
Wie
weißt du noch nicht«, begann sie. »So wie ich es sehe, beginnt die Geschichte mit deiner Mutter - und das alles nur, weil Ketchum deine Mum gevögelt hat, statt lesen zu lernen, hab ich recht?«, sagte Sixpack. »Tja, egal - hier kommt das Ende.«
Als sie nachher gemeinsam den Pick-up entluden, war Danny froh, dass Sixpack erst so spät zu erzählen begonnen hatte. Sie hatte ihm Zeit gegeben, sich darauf einzustellen, und während Danny gewartet hatte zu erfahren, was mit Ketchum geschehen war, hatte er sich schon einige der Details vorgestellt - wie das Schriftsteller eben so tun.
Bestimmt hatte Ketchum noch ein letztes Mal die Elche beim Tanzen beobachten wollen, so viel war Danny klar; und bestimmt hatte der alte Waldarbeiter Sixpack dieses Mal
nicht
eingeladen, ihn zu begleiten. Da es an jenem Tag lange geschneit hatte und die Nacht entsprechend kalt werden würde - ein gutes Stück unter dem Gefrierpunkt -, hatte Ketchum zu Sixpack gesagt, für ihre Hüffe sei Camping auf dem Kochhaushügel jetzt wohl nicht das Richtige, aber vielleicht wolle sie ja am nächsten Morgen zu einem Frühstück im Freien vorbeikommen.
»Ziemlich kalte Stelle für ein Frühstück, oder?«, hatte sie ihn gefragt.
Schließlich war die erste Dezemberhälfte bereits um, und die längste Nacht des Jahres stand bevor. Der Twisted River fror nur selten vor Januar zu, doch was hatte sich Ketchum nur dabei gedacht? Aber (berichtete Pam Danny) sie hatten schon früher an derselben Stelle gefrühstückt. Ketchum genoss es immer, ein Feuer zu machen. Er legte ein paar Kohlen beiseite und bereitete den Kaffee so zu, wie er ihn mochte - in der Röstpfanne, mit gemahlenem Kaffee und Eierschalen, für das Wasser schmolz er ein wenig Schnee. Er briet ein paar Hirschsteaks und pochierte drei oder vier Eier auf dem Feuer. Sixpack hatte sich bereit erklärt, ihn dort zum Frühstück zu treffen.
Doch der Plan ergab keinen Sinn, und Pam wusste das. Sixpack hatte einen Blick in Ketchums Pick-up geworfen, in dem weder Zelt noch Schlafsack lagen. Falls Ketchum im Freien übernachten wollte, hatte er vor zu erfrieren - oder bei laufendem Motor im Fahrerhaus seines Trucks zu schlafen. Außerdem hatte Ketchum Hero bei Pam gelassen. »Ich glaube, die Kälte macht auch Heros Hüfte zu schaffen«, hatte er ihr gegenüber behauptet.
»Das war mir neu«, sagte Sixpack zu Danny.
Und als Sixpack am nächsten Morgen auf dem Kochhaushügel auftauchte, wusste sie sofort, dass Ketchum kein Frühstück im Freien geplant hatte. Es kochte kein Kaffee, nichts brutzelte. Es brannte auch kein Lagerfeuer. Ketchum saß da, gegen die Reste des eingestürzten Schornsteins gelehnt, als bestünde das Kochhaus in seiner Vorstellung weiterhin und er säße mittendrin in der warmen Stube.
Hero war zu seinem Herrn gelaufen, aber kurz vor der Stelle, wo Ketchum auf dem schneebedeckten Boden saß, abrupt stehen geblieben. Pam sah, wie sich Heros Nackenhaare sträubten und der Hund plötzlich auf steifen Beinen weiterstakste, um den alten Holzfäller herum. »Ketchum!«, hatte Sixpack gerufen, aber keine Antwort erhalten; nur Hero hatte den Kopf umgedreht und sie angesehen.
»Ich konnte nicht zu ihm hingehen - ganz lange nicht«, erzählte Sixpack Danny. »Er war hinüber, das stand fest.«
Weil es am Vortag geschneit hatte, sah Pam genau, wie Ketchum vorgegangen war. In dem frischen Schnee gab es eine Blutspur, der Sixpack den Hügel hinunter bis zum Fluss folgte. Oberhalb des Ufers standen ein paar große Baumstümpfe, und sie sah, dass Ketchum von einem den Schnee weggewischt hatte. Das warme Blut war in den
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