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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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nicht sein verhasster Vater war. Er sah Dominic überhaupt nicht ähnlich und war zu alt, um Gennaro Capodilupo zu sein.
    Er war sowohl Oberkellner als auch Besitzer des Vicino di Napoli, was man ihm auch ansah, und er konnte sich nicht erinnern, Annunziata Saetta je begegnet zu sein (dabei hatte er sie sehr wohl gekannt, und er kannte auch jede Menge andere Saettas). Auch war dem alten Mann an jenem Sonntag nicht klar, dass er Dominics Vater, Gennaro Capodilupo,
entlassen
hatte; Gennaro, dieses Schwein, war im Vicino di Napoli Hilfskellner und ein echter Schürzenjäger gewesen. (In dem Restaurant hatten sich Nunzi und Dominics Frauenheld von einem Dad auch kennengelernt.) Doch
gebort
hatte der betagte Besitzer und Oberkellner von Annunziata Saetta; auch von Rosina oder »Rosie« Calogero hatte er gehört. Skandale sind der Gesprächsstoff solcher pulsierender Viertel, wie Danny und sein Dad bald erfahren sollten.
    Das Vicino di Napoli war nicht groß, und die Tische mit den rot-weiß karierten Tischdecken waren klein. Gerade deckten zwei junge Frauen und ein Junge (etwa in Angels Alter) die Tische. Es gab eine Theke aus Edelstahl, hinter der Dominic einen gemauerten Pizzaofen und eine offene Küche entdeckte, in der gerade zwei Köche arbeiteten. Erleichtert stellte Dominic fest, dass keiner der beiden alt genug war, um sein Vater zu sein.
    »Die Küche ist noch nicht ganz so weit, aber Sie können sich setzen - eine Schluckchen trinken, vielleicht«, sagte der alte Mann und lächelte Danny an.
    Dominic griff in die Innentasche seiner Jacke nach Angelù Del Popolos Portemonnaie, das immer noch feucht war. Doch kaum hatte er es herausgenommen, wich der Oberkellner vor ihm zurück. »Sind Sie eine
Cop?«,
fragte der Alte. Bei dem Wort
Cop
horchten die beiden Köche auf, die Dominic in der Küche bemerkt hatte, und kamen vorsichtig hinter der Theke hervor. Der Junge und die beiden Frauen, die die Tische deckten, unterbrachen ihre Arbeit und musterten Dominic ebenfalls.
    »Gewöhnlich nehmen Cops nicht ihre Kinder auf die Arbeit mit«, sagte einer der Köche dem Alten. Dieser Koch war über und über mit Mehl bestäubt, nicht nur die Schürze, auch seine Hände und Unterarme waren staubig weiß. (Wahrscheinlich der Pizzabäcker, dachte Dominic.)
    »Ich bin kein Cop, ich bin Koch«, sagte Dominic. Die beiden jüngeren und der alte Mann lachten erleichtert, die zwei Frauen und der Junge nahmen ihre Arbeit wieder auf. »Aber ich möchte Ihnen etwas zeigen«, fuhr Dominic fort. Der Koch fingerte an Angels Portemonnaie herum. Er wußte nicht, was er ihnen zuerst zeigen sollte - das Ticket der Bostoner Verkehrsbetriebe mit Angelù Del Popolos Namen und Geburtsdatum oder das Foto der hübschen, aber molligen Frau. Er wählte das Straßenbahn- und U-Bahn-Ticket, doch noch ehe sich Dominic entschied, welchem der Männer er es zeigen wollte, sah der alte Mann das Foto in dem offenen Portemonnaie und nahm es Dominic aus den Händen.
    »Carmella!«, rief der Oberkellner.
    »Da war ein
Junge«,
fing Dominic an, während die zwei Köche das Foto unter dem Plastikfensterchen betrachteten. »Vielleicht ist sie seine Mutter.«
    Weiter kam Dominic nicht. Der Pizzabäcker schlug beide Hände vor das Gesicht, seine Wangen wurden schneeweiß. »Angelù!«, jammerte er.
    »Nein! Nein! Nein!«, klagte der alte Mann, packte Dominic an beiden Schultern und schüttelte ihn.
    Der andere Koch (offenkundig der Küchenchef oder Chefkoch) presste sich die Hände aufs Herz, als wäre er abgestochen worden.
    Der Pizzabäcker, weißgesichtig wie ein Clown, berührte mit seinen mehlbestäubten Fingern Dannys Hand. »Was ist mit Angelù passiert?«, fragte er den Jungen so sanft, dass Dominic wusste, der Mann musste ein Kind in Daniels Alter haben oder gehabt haben. Beide Köche waren etwa zehn Jahre älter als Dominic.
    »Angel ist ertrunken«, sagte Danny allen Anwesenden.
    »Es war ein Unfall«, ergänzte sein Vater.
    »Angelù ware keine Fischer!«, klagte der Oberkellner.
    »Es war ein Flößerunfall«, erklärte Dominic. »Der Junge ist bei einer Trift unter die Baumstämme geraten.«
    Die jungen Frauen und der Jugendliche in Angels Alter waren verschwunden - Danny hatte sie nicht gehen sehen. (Wie sich herausstellte, waren sie nur in die Küche geflüchtet.)
    »Angelù hat hier gearbeitet, nach der Schule«, sagte der alte Mann zu Danny. »Seine
mamma,
Carmella - sie arbeitet hier.«
    Der andere Koch war näher gekommen, hielt Dominic die Hand

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