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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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»etwas Katholisches« arrangiert. (Danny hatte seinen Dad schräg angesehen, weil sie beide wussten, dass der Holzfäller nichts dergleichen getan hatte. Ketchum hatte alles Katholische, die Frankokanadier eingeschlossen, so weit wie möglich von Angel ferngehalten.)
    Es war recht spät, als Tony Molinari fragte, wo Dominic und Danny die Nacht verbringen würden; bestimmt wollten sie nicht den weiten Weg zurück nach New Hampshire fahren. Wie er Ketchum gesagt hatte, war Dominic kein Zocker - nicht mehr -, doch er vertraute diesen Leuten und sagte ihnen (zu seiner und Dannys Überraschung) die Wahrheit. »Wir können nie wieder zurück - wir sind auf der Flucht«, sagte Dominic. Jetzt war Danny an der Reihe zu weinen. Sofort trösteten die beiden jungen Kellnerinnen und Carmella den Jungen.
    »Keine Wort mehr, Dominic - wir brauchen nicht wissen, warum oder vor wem du wegläufst!«, rief der alte Polcari. »Bei uns biste du sischer.«
    »Das überrascht mich nicht, Dominic. Jeder kann sehen, dass du eine Schlägerei hattest«, sagte Paul, der Pizzabäcker, und tätschelte mit seiner mehligen Hand mitfühlend die Schulter des Kochs. »Deine Lippe sieht wirklich übel aus - und blutet übrigens immer noch.«
    »Vielleicht muss sie genäht werden«, sagte Carmella ehrlich besorgt. Doch Dominic schüttelte nur den Kopf. Er schwieg, aber alle erkannten in dem schüchternen Lächeln des Kochs seine Dankbarkeit. (Danny hatte ihn wieder von der Seite angesehen, doch der Junge bezweifelte nicht, dass sein Vater gute Gründe hatte, die Herkunft seiner Lippenverletzung für sich zu behalten.Ihre Flucht hatte nichts mit dem fragwürdigen Charakter und dem anormalen Verhalten von Sixpack-Pam zu tun.)
    »Ihr könnt bei mir wohnen«, bot Tony Molinari Dominic an.
    »Sie wohnen bei
mir«,
sagte Carmella zu Molinari. »Ich habe ein leeres Zimmer.« Ihr Angebot war unanfechtbar, denn sie meinte Angels Zimmer. Allein die Erwähnung des Zimmers ließ Carmella erneut in Tränen ausbrechen. Als Danny und sein Dad wieder mit ihr in die Kaltwasserwohnung in der Charter Street zurückgingen, wies sie ihnen das größere Bett zu - in ihrem Zimmer. Sie würde in dem Einzelbett im Zimmer ihres verstorbenen Angelù schlafen.
    Die beiden hörten, wie Carmella sich in den Schlaf weinte - besser gesagt, wie sie es versuchte. Als das Weinen auch nach langer Zeit nicht aufhörte, flüsterte Dan seinem Vater zu: »Vielleicht solltest du zu ihr gehen.«
    »Das wäre unangebracht, Daniel. Ihr Junge fehlt ihr - vielleicht solltest du zu ihr gehen.«
    Danny Baciagalupo ging in Angels Zimmer. Carmella streckte dem Jungen ihre Arme entgegen, und er legte sich neben sie auf das schmale Bett. »An-ge-lú«, flüsterte sie ihm ins Ohr, bis sie endlich einschlief. Danny traute sich nicht, wieder aufzustehen, aus Angst, sie zu wecken. Er lag in ihren Armen und roch ihren guten, sauberen Duft, bis auch er einschlief. Für den Zwölfjährigen war es ein langer und brutaler Tag gewesen - vor allem in Anbetracht der dramatischen Ereignisse der vorangegangenen Nacht -, und Danny war fraglos müde.
    Trug nicht vielleicht auch die Art, wie er am Ende dieses Tages einschlief, dazu bei, dass Danny Schriftsteller wurde? Am Abend desselben Tages, an dem er die mindestens 140 Kilo schwere indianische Tellerwäscherin getötet hatte, die auch noch die Geliebte seines Vaters war, fand sich Daniel Baciagalupo in der warmen Umarmung der Witwe Del Popolo wieder, jener üppigen Frau, die im neuen Leben seines Vaters bald Indianer-Janes Stelle einnehmen sollte - in der traurigen, aber (einstweilen) nicht enden wollenden Geschichte seines Vaters. Eines Tages würde der Schriftsteller um die Bedeutung fast gleichzeitig stattfindender, miteinander verbundener, aber verschiedenartiger Ereignisse wissen - sie sind es, die eine Geschichte vorantreiben -, doch in dem Augenblick, als Danny in Carmellas lieblich duftenden Armen in den Schlaf hinüberglitt, dachte der Junge nur: Kann das denn Zufall sein? (Er war zu jung, um zu wissen, dass es in einem halbwegs anständig geplanten Roman keine Zufälle gibt.)
    Vielleicht hatten allein schon die Fotos seiner toten Mutter aus Danny einen Schriftsteller gemacht. Er hatte nur einige wenige aus dem Kochhaus in Twisted River mitnehmen können, und ihm würden auch die Bücher fehlen, in denen er ihre Fotos zwischen den Seiten aufbewahrte - besonders die Romane mit den Stellen, die Rosie unterstrichen hatte. Dank dieser Stellen konnte der Junge

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