Letzte Nacht in Twisted River
aus.
Sie hörten, wie Carmella schwer und tropfend aus der Wanne stieg. »Ich kenne mich mit Jungs in Dannys Alter aus - sie brauchen ihre
Privatsphäre!«,
sagte sie.
Ja, dachte Dan - ohne zu ahnen, dass er bald noch viel mehr Privatsphäre und Abstand von seinem Dad und Carmella brauchen sollte. Sie würden zwar nicht lange gemeinsam im Kaltwasserapartment in der Charter Street mit der großen Badewanne in der kleinen Küche und dem aberwitzig kleinen (mit einem Vorhang statt einer Tür abgeteilten) Klosett wohnen - die sogenannte Toilette enthielt nur eine WC-Schüssel und ein winziges Waschbecken, über dem ein Spiegel hing. Aber die Wohnung, die sie danach bezogen, war kaum größer und bot auch nicht annähernd genug Privatsphäre für den Teenager Daniel Baciagalupo - dafür aber immerhin auch fließend
heißes
Wasser. Das Mietshaus, ebenfalls ohne Fahrstuhl, lag an dem späteren Wesley Place - gleich beim Caffe Vittoria -, und die Wohnung hatte nicht nur zwei Schlafzimmer, sondern auch ein großes Bad mit einer Wanne und einer Dusche (und einer richtigen Tür) und eine Küche mit genug Platz für einen Tisch samt sechs Stühlen.
Doch die Schlafzimmer lagen direkt nebeneinander; im North End gab es nichts Erschwingliches, was annähernd so geräumig gewesen wäre wie der erste Stock des Kochhauses in Twisted River. Und Danny war schon zu alt, um zu überhören, wie sein Vater und Carmella sich beim Liebesspiel bemühten, leise zu sein - erst recht, nachdem der Junge mit der blühenden Phantasie gehört und gesehen hatte, wie es sein Dad und Indianer-Jane
trieben.
Der Koch, Carmella und Danny, der sich zunehmend bewusst wurde, dass er als
Ersatz-Angel
diente, hatten eine annehmbare Form des Zusammenlebens gefunden, die aber nicht von Dauer sein würde. Für den Jugendlichen sollte bald die Zeit kommen, da er zu seinem Dad ein wenig auf Distanz gehen musste - und als Danny älter wurde, fühlte er sich wegen eines anderen Problems noch unwohler.
Hatte ihm früher ein präsexueller Erregungszustand zu schaffen gemacht, der zunächst durch Jane und dann durch Sixpack-Pam hervorgerufen worden war, so plagte den Teenager nun sein unstillbares Verlangen nach Carmella Del Popolo - die »Ersatz-Indianerin« seines Dads, wie Ketchum sie nannte. Dass Danny sich zu Carmella hingezogen fühlte, war ein quälenderes Problem als die fehlende Privatsphäre.
»Du musst da weg«, schrieb Ketchum dem Jungen, obwohl Danny sein Leben im North End wirklich gefiel. Ja er war regelrecht
begeistert
davon, besonders verglichen mit seinem früheren Leben in Twisted River und ganz besonders mit der Schule der Paris Manufacturing Company.
Auf der Michelangelo School gab man wenig auf die Bildung, die Danny Baciagalupo unter den Nichtsnutzen am Phillips Brook erworben hatte - diesen West-Dummer-Dödeln, wie Ketchum sie nannte. Die Schulleitung der Mickey ließ Danny eine Klasse wiederholen; er war ein Jahr älter als die meisten seiner Klassenkameraden. Als der zukünftige Schriftsteller in der siebten Klasse seinem Englischlehrer Mr. Leary von Ketchums Idee mit dem Internat in Exeter erzählte, hielt dieser Danny Baciagalupo bereits für einen seiner allerbesten Schüler. In der achten Klasse war Danny dann mit Abstand Mr. Learys Lieblingsschüler.
Etliche von Mr. Learys ehemaligen Schülern hatten nach der Mickey die renommierte Boston Latin School besucht. Ein paar waren auf die Roxbury Latin gegangen - eine etwas versnobte Anglo-Schule, wie der alte Ire fand. Zwei von Mr. Learys Ehemaligen waren auf die Milton gegangen, einer nach Andover, doch noch nie war einer von Mr. Learys Englischschülern in Exeter gewesen. Exeter lag weiter von Boston entfernt als die anderen guten Schulen, und Mr. Leary wusste, dass es eine
sehr
gute Schule war. Wäre das nicht ein Erfolg für Mr. Leary, wenn man Daniel Baciagalupo in Exeter aufnehmen würde?
Außer Danny machten sich die meisten Schüler der siebten und achten Klassen in der Mickey über Mr. Leary lustig. Der Junge hielt sich raus, wenn sein Lehrer verspottet wurde, da ihn diese und andere, schlimmere Schikanen an seine Erlebnisse auf der Schule in Paris erinnerten.
Mr. Leary hatte vom Trinken ein rotes Gesicht und eine Nase, die aussah wie eine Kartoffel, die angebliche Lieblingsspeise seiner irischen Landsleute. Über seinen Ohren wuchsen wirre weiße Haarbüschel, wie Fell, doch davon abgesehen war Mr. Leary kahl - und oben auf dem Schädel hatte er eine ausgeprägte Delle. Er
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