Letzte Rache: Thriller (German Edition)
Großbritanniens meistgesuchten Verbrechern viel zu luxuriös waren.
Simpson, die alles andere als schüchtern war, wenn es um persönliche Publicity ging, freute sich seit mehreren Wochen auf einen weiteren allzu flüchtigen Moment im Rampenlicht der Medien. Sie hatte begriffen, dass sie für ihren »Stimmenanteil« in den Medien hart arbeiten musste und man sich keine Gelegenheit, Reklame für die Marke Simpson zu machen, entgehen lassen durfte.Falls sie in der Hierarchie der Metropolitan Police weiter nach oben klettern wollte, war es von entscheidender Bedeutung, sich zu profilieren. Während ihrer gesamten Karriere hatte sie Journalisten als Verbündete gesehen.
Das war vorbei.
Jetzt war sie Köder für die Haie.
An diesem Morgen war sie kurz vor sechs Uhr von zwei stämmigen, unrasierten Männern rüde geweckt worden, die an die Eingangstür ihres Hauses in Highgate hämmerten. Simpson, die immer schon einen leichten Schlaf gehabt hatte, war aus dem Bett gesprungen und hatte ihren Mann verflucht, der glücklich vor sich hin schnarchte. Sie zog die Vorhänge zurück, machte das Fenster auf und steckte den Kopf heraus.
»Verpisst euch«, rief sie, »oder ich hole die Polizei.«
»Wir sind die Polizei, Madam«, hatte einer der Männer zu ihr hochgerufen und breit gegrinst; sein Ton war angesichts der Tatsache, dass er genau wissen musste, wer sie war, noch ärgerlicher.
Sie hatte es zu diesem Zeitpunkt noch nicht begriffen, aber die Polizisten hatten ein Kamerateam und zwei Zeitungsjournalisten im Schlepptau. Die ersten Sätze waren bereits gespeichert, die ersten Bilder schon übertragen, als Simpson nach unten ging und verlegen die Haustür öffnete. Sie war im Begriff, wie ein Tier zur Schlachtbank geführt zu werden.
Fünfundvierzig Minuten später stand sie wieder auf der Türschwelle und trank schwarzen Kaffee aus einem Becher, während sie zusah, wie ihr Mann, mittlerweile in Handschellen, von einem der Beamten auf den Rücksitz eines schwarzen Range Rover geschoben wurde. Der andere war damit beschäftigt, Kartons voller Dokumente in den Kofferraum zu laden. Vorher hatte sie ungläubig zugesehen, wie Joshua über seine Rechte informiert und ihm mitgeteilt wurde, dass er wegen des Verdachts der Verabredung zum Betrug verhaftet werde.
»Schick mir den Anwalt«, war das Einzige, was er zu ihr gesagt hatte, bevor sie ihn aus dem Haus führten.
Jetzt, mehr als sechs Stunden später, wurde schmerzhaft klar, in was für einer riesengroßen Scheiße sie steckte. Die im Internet präsentierte Titelseite des Evening Standard zeigte ein Foto von Carole und Joshua an ihrem Hochzeitstag – wo um alles in der Welt hatten sie das aufgetrieben? – unter einer Schlagzeile, die lauthals verkündete: EHEMANN VON SPITZENCOP WEGEN 650-MILLIONEN-BETRUG VERHAFTET . Joshua wurde als »britischer Bernie Madoff« bezeichnet, nach dem amerikanischen Finanzier, der zu einer Gefängnisstrafe von hundertfünfzig Jahren verurteilt worden war, weil er der führende Kopf eines Vierzig-Milliarden-Dollar-Schwindels war, der Tausende von Investoren in den finanziellen Ruin getrieben hatte.
Als Simpson am Ende der Story angelangt war, verzog sie das Gesicht. So wie sich das Stück las, musste sie entweder eine Mitwisserin und Komplizin oder eine vollkommene Närrin sein, weil sie nicht bemerkt hatte, was genau vor ihrer Nase ablief. Sie legte die Hände flach auf den Tisch und versuchte es mit Tiefenatmung. Neben ihrer rechten Hand lag ein einzelnes DIN -A4-Blatt mit einer darauf getippten Stellungnahme, die nur zwei Absätze umfasste. Die Stammgäste des World Wide Web hatten sie bis jetzt noch nicht aufgegriffen, aber Scotland Yard hatte es zumindest geschafft, eine Presseerklärung herauszugeben, in der festgestellt wurde, dass Commander Simpson selbst auf keinen Fall im Verdacht irgendeines Fehlverhaltens stand und dass sie weiterhin ihre Pflichten erfüllen würde.
Darüber dachte Simpson einen Moment nach. Wie hatten sie es geschafft, in ihrem Fall so schnell zu einer derart eindeutigen Entscheidung zu kommen? Sie wollte nicht länger darüber nachdenken. Sowohl sie als auch Joshua mussten im Vorlauf zu seiner Verhaftung seit Langem unter Überwachung gestanden haben. Die Arschlöcher hätten bestimmt alles – Bankauszüge, Telefonunterlagen, E-Mails – ganz genau unter die Lupe genommen.
Mit zitternder Hand ergriff sie die Presseerklärung und las sie noch einmal. Was Unterstützungsbotschaften anging, erfüllte diese
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