Letzte Rache: Thriller (German Edition)
jetzt seit ein paar Tagen, Sie zu erreichen«, fuhr Singleton fort. »Ich habe Ihnen zwei Nachrichten in der Agar Street hinterlassen …«
»Ach ja«, sagte Carlyle leise mit Blick auf die Särge, die inzwischen in das Mausoleum getragen wurden. »Entschuldigen Sie bitte. Wir haben gerade ein paar Probleme in Charing Cross.«
»Ja«, sagte Singleton mitfühlend, »die Anthrax-Geschichte. Das muss eine ziemliche Aufregung verursacht haben.«
»Es ging«, erwiderte Carlyle. Singletons Ton beruhigte ihn ein bisschen; wenigstens machte sie ihm keine Vorwürfe, weil er sie nicht zurückgerufen hatte. »Es war wahrscheinlich alles ziemlich übertrieben, um ehrlich zu sein.« Phillips hatte recht gehabt; die Aufregung hatte ganze vierundzwanzig Stunden gedauert. Man hatte niemanden mit den entsprechenden Symptomen gefunden, und sogar Dave Prentice hatte eine Gesundheitsbescheinigung bekommen. Am nächsten Tag war der Betrieb in der Station wieder normal gelaufen.
»Jedenfalls wissen Sie, warum ich anrufe?«
»Ja«, sagte Carlyle und schaute wieder zum Mausoleum hinüber. Der Regen hatte, zumindest im Augenblick, ganz aufgehört. Agatha und Henry Mills waren bestattet worden, und die Trauergäste begannen bereits aufzubrechen. Falls er irgendwas Brauchbares von diesem Ausflug mitnehmen wollte, musste er sich beeilen. »Hören Sie«, sagte er hastig, »ich bin im Moment auf einem Begräbnis. Kann ich Sie in etwa einer Stunde zurückrufen?«
»Ich denke schon.« Singleton, die sich damit abfand, wieder einmal abgewimmelt zu werden, seufzte.
»Okay, danke.« Carlyle beendete das Gespräch und ging um den Baum herum auf das Mausoleum zu. Die Männer vom Bestattungsinstitut standen geduldig neben ihrem Leichenwagen und warteten darauf, dass die letzten Trauergäste sich auf den Weg zum Friedhofseingang machten. Sie sahen Carlyle vorbeischlendern, sagten aber nichts.
Der Inspector blieb ein paar Schritte hinter ihrem Volvo stehen und schaute den verstreuten Grüppchen hinterher, die den Weg entlanggingen. Wonach hielt er hier Ausschau? Nach einer Frau, die aussah, als könne sie Mitglied der Töchter des Dismas sein? Nach jemandem, der chilenisch aussah? Jemand, der vielleicht Sandra Groves kannte? Weil er noch durch den Anruf von Singleton abgelenkt war, schien er sich nicht auf den vorliegenden Fall konzentrieren zu können. Gedanken an Rosanna Snowdon schossen ihm durch den Kopf. Ihm wurde bewusst, dass in den Zeitungen nichts Substanzielleres über ihren Tod gestanden hatte. Er war überrascht, dass der Stalker noch nicht verhaftet worden war. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, ob er ein schlechtes Gewissen haben sollte, weil er es nicht geschafft hatte, Rosanna zu helfen, als sie ihn um Hilfe bat, aber er kam wieder zu dem Schluss, dass es sowieso nicht viel gab, was er hätte tun können. Und während seine Gedanken umherschweiften, fragte er sich auch, was er zu Fiona Singleton sagen und was er zu Mittag essen sollte – aber nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.
Als Carlyle versuchte, seine Niedergeschlagenheit abzuschütteln, blieb sein Blick an einem Paar Frauen hängen – vielleicht Mutter und Tochter –, die dreißig Meter von ihm entfernt dem Ausgang zustrebten. Er hatte sich gerade dazu entschlossen, sie anzusprechen, als ihm bewusst wurde, dass jemand neben ihm angekommen war. Er drehte sich um und stand einem sonnengebräunten, gut aussehenden Mann gegenüber, der einen teuren Regenmantel über einem klassischen schwarzen Anzug mit weißem Hemd und schwarzer Krawatte trug. Der Gesamteindruck war der eines Mannes, der gerade aus einer Armani-Anzeige gehüpft war. Er hielt ihm die Hand hin, also schüttelte Carlyle sie.
»Matias Gori.«
Du hast dir den Bart abrasiert, dachte Carlyle. »Inspector John Carlyle.«
»Ja«, sagte Gori und lächelte, »das weiß ich.«
Das reicht als Einleitung, du selbstgefälliger Penner, dachte Carlyle. »Was machen Sie hier?«, fragte er unvermittelt.
Gori senkte den Blick, hörte aber nicht auf zu lächeln. »Der Botschafter hat mir gesagt, dass Sie mit mir sprechen möchten. Er wollte auch, dass die Botschaft der Familie Mills die letzte Ehre erweist.« Er zeigte auf einen großen Kranz, der gegen den Eingang des Mausoleums gelehnt war. An der Vorderseite war eine Botschaft auf Spanisch befestigt – con más sentido pésame –, die Carlyle nicht verstand, aber er begriff ungefähr, was gemeint war. Er erinnerte sich an die Todesanzeige – Keine Blumen. Bitte
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