Letzte Rache: Thriller (German Edition)
während der halb organisierte Sprechgesang wieder begann.
Werdet mal erwachsen, dachte er. Soweit er sehen konnte, waren die drei Frauen, die den Sprechgesang anführten, praktisch die ganze Organisation, und trotzdem versuchten sie, ihm so viele Schwierigkeiten zu bereiten. Er spürte, wie die vertraute Wut in ihm hochstieg. Es war lächerlich, dass er seine Zeit mit ihnen verschwenden musste; lächerlich, aber notwendig – um seiner selbst und seiner Kameraden willen.
Er fingerte an der Broschüre herum, die ein anderer Demonstrant im Vorübergehen auf seinen Tisch gelegt hatte. Noch mehr Parolen, noch mehr Plattitüden, noch mehr hoffnungsloses Getue.
»Gerechtigkeit für die Opfer des Massakers in Ishaqi!«
Als ob das für die Opfer noch eine Rolle spielt, dachte er.
» STOPPT DEN KRIEG !«
Ich war dabei; ihr nicht.
» MACHT DEN SÖLDNERMORDEN EIN ENDE !«
Zorn erfüllte seine Brust. Ihr wisst nicht, wovon ihr redet.
Er beugte sich hinunter und schnappte sich ein Antikriegs-Flugblatt vom Bürgersteig, faltete es sorgfältig auf die Hälfte und dann noch einmal auf die Hälfte zusammen, bevor er es in seine Jackentasche steckte. Der Kellner kam mit seinem frischen Kaffee. Er trank ihn mit einem Schluck aus, zog seine Brieftasche hervor und fischte eine Fünf-Pfund-Note heraus, die er unter seine Untertasse legte. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und ließ die Demonstration vorbeiziehen, die vom Gehupe wütender Autofahrer und vom Gelächter einer Gruppe Araber begleitet wurde, die ihre Wasserpfeifen an dem Tisch neben ihm rauchten.
Er zog eine Zigarette aus der Packung Royal Crown Blue, die auf dem Tisch lag, zündete sie mit einem Streichholz an, steckte sie sich zwischendie Lippen und inhalierte tief. Er ließ das Streichholz in den Aschenbecher fallen, stand auf und ging langsam los, wobei er die gleiche Richtung einschlug wie die Demonstranten.
Als er den Park erreichte, waren die Ansprachen in vollem Gang. Er stellte sich unter einen Baum in der Nähe, rauchte noch eine Zigarette und behielt die Frauen wachsam im Auge, während er die rituellen Beschimpfungen der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und aller anderen Werkzeuge des Imperialismus auszublenden versuchte.
Glücklicherweise waren die Ansprachen vorbei, bevor seine Zigarettenpackung leer war. Er beobachtete, wie die Frauen ihr Spruchband zusammenpackten und sich verabschiedeten, bevor sie in verschiedene Richtungen aufbrachen. Nach kurzer Überlegung beschloss er, der ältesten zu folgen. Sobald er wusste, wo sie wohnte, wurde es Zeit anzufangen.
Achtzehn
Carlyle stand auf dem Verbindungsgang, der sich in einer Spirale im Innern der dreieckigen Glasfassade der City Hall nach oben schraubte, und schaute in das Foyer der Greater London Authority hinab, während er von unten das Klirren von Gläsern und das Brummen höflicher Konversation hören konnte. Er hatte den Raum mittlerweile mehrere Minuten lang abgesucht, aber kein Zeichen von Simpson oder ihrem Mann entdeckt. Er hatte allerdings den Bürgermeister Christian Holyrod Seite an Seite mit dem Mann gesehen, den er für den chilenischen Botschafter hielt, während sie mit den versammelten Menschen sprachen.
Die obere Ebene war für die heutige Abendveranstaltung abgesperrt worden, sodass Carlyle sie für sich allein hatte. Als der Bürgermeister auf eine kleine erhöhte Plattform stieg, um einige einführende Bemerkungen zu machen, wandte Car-
lyle der Menschenmenge den Rücken zu, um sich das Panorama anzuschauen, das der Fluss mit dem Tower of London im Hintergrund bot. Die nächsten Minuten ließ er seine Gedanken schweifen. Gelegentlich trieb ein Satz aus dem Foyer nach oben, aber die Worte waren nicht mehr als die üblichen banalen Nichtigkeiten, die Ereignisse wie dieses hier begleiteten. Er nahm sie nicht weiter zur Kenntnis, während er die Schiffe auf der Themse vorüberziehen sah, und dachte über seine bisherigen Beziehungen zum Bürgermeister nach.
Christian Holyrod war die Inkarnation einer abenteuerlichen Erfolgsgeschichte. Das allein wäre für Carlyle Grund genug gewesen, dem Mann gegenüber zutiefst misstrauisch zu sein, selbst bevor sie in einem der unangenehmeren Fälle, mit denen er es in letzter Zeit zu tun hatte, die Klingen gekreuzt hatten.
Bevor Major Holyrod sich der Politik zuwandte, hatte erdas 2. Bataillon des Regiments Duke of Wellington, Motto: Virtutis Fortuna Comes – Das Glück ist mit dem Tapferen, kommandiert, eine der ersten britischen
Weitere Kostenlose Bücher