Letzte Rache: Thriller (German Edition)
sagte er steif, »dies ist Inspector John Carlyle von der Metropolitan Police.«
»Erfreut, Sie kennenzulernen, Inspector.« Claudio Orb streckte die Hand aus und ließ das Lächeln eines Mannes aufblitzen, der von einem Londoner Polizisten nichts zu befürchten hatte. Er war ein durchtrainierter, gepflegter Mann in einem eleganten dreiteiligen marineblauen Anzug mit weißem Hemd und hellroter Krawatte. Er war etwa ein Meter fünfundsiebzig groß, hatte einen weißen Haarschopf und hellblaue Augen und schien mindestens Anfang siebzig zu sein. Ich hoffe, ich sehe in dem Alter noch so gut aus, dachte Carlyle, wobei er wusste, dass das äußerst unwahrscheinlich war. Er warf einen Blick auf den erheblich jüngeren Mann, der neben Orb stand. Der Typ war höchstens Ende dreißig und sah fit und braun gebrannt aus. Er hatte den gepflegtesten Bart, den Carlyle je gesehen hatte. Da er keinen Versuch unternahm, sich vorzustellen, wandte Carlyle, der ihn als Lakaien abschrieb, seine ganze Aufmerksamkeit wieder dem Botschafter zu. »Ich habe mir überlegt, ob ich wohl ein paar Minuten Ihrer Zeit in Anspruch nehmen könnte, Sir«, sagte er in seinem respektvollsten Ton und ignorierte den unheilvollen Blick, den Holyrod ihm zuwarf.
»Natürlich!« Orbs Augen funkelten vor Entzücken. Carlyle fragte sich, ob der Botschafter sich ein paar Gläser genehmigt hatte; vielleicht war er sogar ein bisschen beschwipst. »Es wäre mir ein Vergnügen, die Polizei bei ihren Nachforschungen zu unterstützen.« Er nickte den beiden anderen zu. »Entschuldigen Sie uns, meine Herren.« Er nahm Carlyle beim Ellbogen und begann, ihn zurück zu dem Verbindungsgang zu führen, in die Richtung, aus der er gekommen war. »Warum gehen wir nicht einen Moment lang nach draußen? Ich könnte ein bisschen frische Luft vertragen.«
Draußen auf der riesigen leeren Terrasse spürte Carlyle die kühle Brise vom Fluss auf seinem Gesicht und merkte, wie stickig es drinnen gewesen war.
»Was für ein angenehmer Abend«, sagte Orb, hielt sich am Geländer fest und atmete tief ein. »Es ist nett, ein bisschen an die frische Luft zu kommen, nicht wahr?«
»Oder so frisch, wie es in London möglich ist«, erwiderte Carlyle.
»Ha!« Der ältere Mann grinste. »Sie sollten es mal mit Santiago probieren.« Er musterte den Polizisten von oben bis unten. »Sind Sie schon mal in Chile gewesen, Inspector?«
»Nein.«
»Ah, das sollten Sie nachholen. Es ist zweifellos einen Besuch wert. Ich weiß, ich bin nicht objektiv, aber es ist ein tolles Land.«
»Eines Tages vielleicht.« Carlyle zuckte mit den Achseln.
»Also … was kann ich für Sie tun?«, fuhr der Botschafter fröhlich fort. »Wer fragt, dem wird gegeben, wie es heißt. Ich stehe bereits in Ihrer Schuld, weil Sie mich von Ihrem Bürgermeister befreit haben, wenn auch nur kurzfristig.«
Carlyle lachte. »Dann ist er auch nicht nach Ihrem Geschmack?«
»Nein, nein.« Orb wackelte mit einem mahnenden Zeigefinger. »Das ist es nicht. Ich bin Diplomat, deshalb kommt Geschmack nicht ins Spiel. Und in vielerlei Hinsicht ist Mr Holyrod ein sehr bewundernswerter Mann. Abgesehen von allem anderen war er ein ausgezeichneter Soldat.«
»Aber …?« Carlyle machte es nichts aus, von etwas abgelenkt zu werden, was bestenfalls ein Fischzug im Trüben war, und er wollte gern wissen, was für eine Meinung der Mann von seinem Bürgermeister hatte.
»Aber er treibt ein bisschen seine Spielchen mit uns.«
»Inwiefern?«
»Soweit ich unterrichtet bin«, sagte der Botschafter sanft, »bin ich Botschafter am Hof von St. James und nicht am Hof von St. Christian Holyrod. Der Bürgermeister möchte Leute wie uns dazu benutzen, nebenher seine eigene kleine Außenpolitik zu betreiben, während er gleichzeitig seine Geschäftsinteressen verfolgt. Er will der nächste Premierminister werden und muss die Lücken in seinem Lebenslauf ausfüllen. Das ist der Grund, weshalb er Werbung für TEMPO macht.«
»Was ist das?«, fragte Carlyle.
» TEMPO ist eine große Waffenmesse, die in London alle zwei Jahre stattfindet«, erklärte Orb. »Chile ist in der Wehrtechnik-Industrie erfolgreich, und deshalb ist es für uns eine wichtige Veranstaltung. Aber wir suchen keine Publicity.«
»Nein?«
»Es sollte ein unauffälliger Ort sein, um Geschäfte abzuschließen. Wenn Bürgermeister Holyrod hingeht und aus der Veranstaltung eine politische Plattform macht, nun ja, das ist nicht für alle gut.«
»Nein«, pflichtete Carlyle ihm bei.
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