Letzte Rache: Thriller (German Edition)
schlank und blond und brachte mit ihrem frischen Teint und ihrem fröhlichen Lächeln ein bisschen dringend benötigten Glanz in die Hütte. Wichtiger noch, sie war schnell, sachlich und verlässlich – alles Eigenschaften, die Carlyle an Kollegen schätzte. Sie hatten schon häufiger zusammengearbeitet, und er war immer zufrieden, wenn er sie an einem Tatort erblickte.
»Was können Sie mir sagen?«, fragte Carlyle.
»Nicht viel.« Phillips grinste und schob eine übergroße Sonnenbrille auf der Nase nach hinten.
»Hinweise auf eine unnatürliche Todesursache?«, fragte er.
»Keine, die ich auf Anhieb sehen könnte.«
»Ein Herzschlag? Die junge Frau meint, er sei einfach umgekippt.«
»Vielleicht«, sagte sie und zuckte die Achseln. »Er ist noch jung, aber das ist kein Hinderungsgrund. Tut mir leid, aber ich kann zu diesem Zeitpunkt keine Vermutungen anstellen. Es ist nicht unmittelbar ersichtlich, woran er gestorben ist. Wir nehmen ihn jetzt mit. Wenn ich ihn auf dem Seziertisch hatte, lasse ich Sie sofort wissen, was ich herausfinde.«
»Okay.« Carlyle nickte. »Vielen Dank, dass Sie gekommen sind.«
»Mach ich doch gerne«, sagte Phillips. »Wir hören voneinander.«
Die Leiche wurde von zwei Sanitätern in den Krankenwagen geschoben. Carlyle sah zu, wie er sich langsam seinen Weg in den fließenden Verkehr auf der Bow Street bahnte, bevor er sich von der Piazza entfernte.
»Was sollen wir mit den Bongos machen?«, fragte Prentice.
Carlyle warf einen Blick auf die beiden verloren aussehenden Trommeln, die neben Felix’ übrigen Habseligkeiten auf dem Kopfsteinpflaster standen. »Nimm sie mit dem Rest von seinem Zeug mit zur Station. Sie sind Beweismaterial.«
»Okay«, sagte Prentice, der glücklich war, wieder zu seinem Schreibtisch zu kommen.
Als Prentice sich trollte, schaute Carlyle noch einmal über das Absperrband. Jetzt, wo die Show vorüber war, hatten sich die Zuschauer weitgehend zerstreut, waren unterwegs auf der Suche nach anderen Ablenkungen. Es war harte Arbeit, Tourist zu sein, dachte Carlyle.
Schließlich standen nur noch wenige Leute hinter dem Absperrband. Ein Mann fiel dem Inspector ins Auge. Er grinste. »Da leck mich doch am Arsch!«, murmelte Carlyle vor sich hin. Instinktiv tastete er nach seinen Handschellen und fluchte, als ihm wieder einfiel, dass er sie – nicht zum ersten Mal – in der Station oder zu Hause oder Gott weiß wo hatte liegen lassen. Er schaute sich nach Unterstützung um, moralisch oder anderweitig. Prentice war schon auf der anderen Seite der Piazza, auf dem Rückweg zur Station, unter jedem Arm eine Bongotrommel. Alle anderen waren verschwunden.
Carlyle machte einen tiefen Atemzug und schritt zu dem Absperrband.
»Inspector.« Michael Hagger lüpfte einen unsichtbaren Hut und ließ das Grinsen auf seinem Gesicht noch breiter werden.
Mit seinen ein Meter achtzig war Hagger größer und schwerer als Carlyle, ganz zu schweigen davon, dass er mindestens fünfzehn Jahre jünger war. Sie wussten beide, dass der Polizist ihn auf sich allein gestellt nicht festnehmen konnte.
Wichtiger noch, von dem Kind war nichts zu sehen.
»Michael, wie nett, Sie zu sehen.«
»Wie ich höre, haben Sie nach mir gesucht.«
»Nicht nur ich.«
»Na ja, hier bin ich.«
»Schon, aber es wird auch nach dem Jungen gesucht. Wo ist Jake?«
Hagger trat ein bisschen auf der Stelle. »Dem Kleinen geht’s gut.«
»Das höre ich gern.«
Hagger kicherte. »Wenn Sie mir jetzt allerdings ein Haar krümmen, na ja … dann könnte sich das ändern, wissen Sie?«
»Ja«, sagte Carlyle und hob die Hände. »Das weiß ich.«
Hagger machte ein Gesicht, als hätte ihn jemand schwer gekränkt. »Es ist eine Schande, dass ein Vater heutzutage nicht ein paar schöne Stunden mit seinem Sohn verbringen darf.«
Carlyle biss sich auf die Zunge.
»Es ist ja nicht so, als ob seine Mutter – diese nichtsnutzige Schlampe – ihre Aufgabe besonders ernst nähme.«
Das ist wenigstens ein Punkt, in dem wir einer Meinung sind, dachte Carlyle.
Hagger sah ihn verschlagen an. »Ich denke mal, das Jugendamt wird Jake sowieso übernehmen, wenn Sie ihn wiederhaben.«
Wenn. Dieses Wort gefiel Carlyle. Auf der anderen Seite redete Hagger die meiste Zeit Mist, und der Rest war Geschwafel. »Wo ist er, Michael?«
Hagger hob eine Faust hoch, aber nur zur Unterstreichung. »Er ist in Sicherheit. Und es geht ihm gut. Ich brauche ihn nur noch ein paar Tage, dann bekommen Sie ihn zurück. Und bis dahin
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