Letzte Rache: Thriller (German Edition)
Handtasche nach den Schlüsseln. Als sie sich nicht sofort zeigten, kippte sie die Tasche um, sodass sich ihr Inhalt auf den Teppichboden im Flur ergoss. Was für ein Misthaufen, dachte sie. Ich muss das wirklich mal ausräumen. Sie ließ sich auf die Knie sinken und begann, das Zeug zu durchsuchen.
»Hurra!« Sie griff sich die Schlüssel und kämpfte sich langsam wieder auf die Füße. Als sie mit dem Wohnungsschlüssel das Schloss zu treffen versuchte, brauchte sie einen Moment, bis sie erkannte, dass sie nicht allein war. Sie schnitt eine Grimasse, während ihr alkoholisiertes Gehirn diese Information zu verarbeiten suchte.
»Was machen Sie denn hier?«, fragte sie, ohne hochzusehen. »Es ist spät, und ich muss morgen früh arbeiten. Außerdem geht es mir nicht gut.« Sieversuchte erneut, den Schlüssel in das Schloss zu stecken, und verfehlte es abermals. Als sie es noch einmal versuchte, fiel er wieder zu Boden. »Mist!« Sie bückte sich und fühlte sich benebelt.
Dann spürte sie eine feste Hand an ihrem Kragen, die sie nach hinten zog. »Hey!« Rosanna wollte sich gerade hinstellen, aber ihre Beine gaben nach. Ihr drehte sich der Magen um, und sie dachte, sie müsse sich wieder übergeben. Sie fiel fast hintenüber und stolperte rückwärts auf die Treppe zu. Ihr rechter Fuß rutschte aus dem Schuh, und sie spürte, wie sie den Kontakt mit dem Boden verlor. Dieselbe Hand streckte sich nach ihr aus, aber sie bekam sie nicht zu fassen, sondern begann die Treppe hinunterzustürzen.
Dreiundzwanzig
Es war heiß, und Carlyle war alles andere als zufrieden. Er stand auf den Pflastersteinen der Covent Garden Piazza innerhalb des schlaffen Polizeiabsperrbands, wischte sich den Schweiß von der Stirn und schaute auf die Touristen, die ihrerseits ihn anstarrten. Hatten sie nichts Besseres zu tun, als irgendeinen armen Kerl anzugaffen, der aus den Latschen gekippt war, während er zu ihrer Unterhaltung die Bongos getrommelt hatte? Im Lauf der letzten Stunde waren Leute gekommen und gegangen, und trotzdem war die Menschenmenge immer größer geworden. Mittlerweile waren es locker mehr als hundert und damit wahrscheinlich ein viel größeres Publikum, als der arme Dennis Felix zu Lebzeiten je angezogen hatte. Carlyle war fast versucht, den Hut des Toten herumgehen zu lassen und um einen Beitrag zu den Begräbniskosten zu bitten. Wenn das sonst nichts gebracht hätte, wären zumindest die Gaffer vertrieben worden.
Neben ihm stand, völlig verschwitzt, Sergeant Dave Prentice. Im Rahmen eines seltenen und nicht sonderlich geschätzten Ausflugs von seiner üblichen Position hinter dem Empfangstresen in der Station hatte er die wesentlichen Fakten über den beklagenswerten Musiker zusammengetragen. »Anscheinend Mitte dreißig. Anscheinend aus Estland. Wohnt irgendwo in East London.«
»Anscheinend …«, wiederholte Carlyle.
Prentice warf ihm einen bösen Blick zu. »Er hat seit mehr als einem Jahr an der Stelle hier drei- oder viermal pro Woche gespielt.«
»Gut gemacht«, sagte Carlyle, der verlorenen Boden wiedergutmachen wollte. »Das ging ja schnell.«
»Sprechen Sie mit ihr .« Prentice deutete auf eine Frau, die in der Nähe stand. »Sie kennt ihn.«
Carlyle machte die Frau auf sich aufmerksam und winkte sie zu sich herüber. Sie war jung und mager, etwas über einen Meter sechzig groß und hatte dunkle Ringe um die Augen, die gut zu ihrem schwarzen Haar passten. Du musst dich mal ordentlich satt essen und etwas länger in der Sonne liegen, dachte er. Sie trug eine ausgebeulte grüne Hose und eine bauchfreie pinkfarbene Weste, die ihr gestattete, eine Auswahl von Ringen zur Schau zu stellen, die in ihrem Bauchnabel steckten. Mit zu viel Schmuck und zu wenig Make-up schien sie dafür gerüstet, wegzulaufen und sich dem Zirkus anzuschließen. Vielleicht hatte sie das ja bereits getan.
»Ich bin Inspector Carlyle und arbeite mit Sergeant Prentice zusammen.«
Die junge Frau stellte sich direkt vor Carlyle, sagte aber kein Wort. Trotz der Hitze zitterte sie, und er konnte sehen, dass sie geweint hatte.
»Wie heißen Sie?«, fragte er.
Die Frau sah ihn argwöhnisch an. Dann warf sie einen Blick auf die Leiche, die unter einer Decke verborgen auf einer Tragbahre lag und darauf wartete, dass sie von den Männern abtransportiert wurde, die ihren Krankenwagen an einer Ecke des Platzes abgestellt hatten.
»Das ist keine Fangfrage«, raunzte Carlyle, dessen spärliche Reserven an Mitgefühl schon aufgebraucht
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