Letzte Rache: Thriller (German Edition)
waren.
»Kylie.«
Wie unglücklich, dachte Carlyle, nach einem etwas zu kurz geratenen australischen Popstar benannt zu werden. Er konzentrierte seinen Blick auf einen Punkt knapp über ihrem Kopf. »Okay, Kylie, was können Sie mir über Mr Felix verraten?«
»Er kam aus Tallinn in Estland.« Sie kratzte sich am Hals. »Das liegt, glaube ich, in Russland. Jedenfalls irgendwo da in der Nähe.«
»Was noch?«
Darüber dachte Kylie gründlich nach. »Ich kannte ihn seit rund sechs Monaten«, sagte sie schließlich.
»Woher?«
»Woher was?« Sie schaute ihn mit dem Blick eines wissbegierigen Welpen an.
Carlyle holte tief Luft und zählte bis zehn. Immer mit der Ruhe, dachte er. Lass dich nicht von kleinen Dingen auf die Palme bringen. Du musst versuchen, die Sache im Griff zu behalten.
»Woher kannten Sie ihn?« Haben Sie mit ihm gefickt? Hat er versucht, Ihnen den Laufpass zu geben? Könnte es Ihnen so viel ausgemacht haben, dass Sie versucht hätten, ihn umzubringen? Wie ist er gestorben?
»Ich arbeite dort drüben.« Sie zeigte auf einen Imbisswagen, der neben dem Eingang zum Fitnessstudio abgestellt worden war.
Carlyle machte sich klar, dass er seit fast einer Woche nicht mehr im Fitnessstudio gewesen war. Er fühlte sich abgeschlafft. Ich muss was für meine Kondition tun, dachte er.
»Dennis hat sich oft bei mir einen Smoothie geholt und mit mir geplaudert. Und ich hab ihm beim Spielen zugehört. Er war gut. Hat eine sagenhafte Version von ›Wonderwall‹ draufgehabt.«
Eine Schande, dass ich die verpasst habe, dachte Carlyle. »Was ist denn heute Morgen passiert?«
»Ich weiß nicht«, sagte sie und zuckte die Achseln. »Ich hab gesehen, wie er ankam und seine Bongos aufbaute. Er fing an zu trommeln, und dann musste ich einem Kunden einen Cappuccino machen. Als ich wieder hinschaute, war Felix irgendwie auf eine Seite gesackt. Niemand schien ihm die geringste Beachtung zu schenken.« Sie schaute ins Leere. »Vielleicht haben alle gedacht, das gehörte zu seiner Nummer.«
»Warum sollte jemand das denken?«
Sie ignorierte seine Frage. »Ich wusste, dass irgendwas nicht in Ordnung war, und bin deshalb rübergegangen, um nachzusehen, ob ich ihm helfen konnte. Ich hab ihn geschüttelt und dann nach seinem Puls gefühlt … aber da war nichts.« Sie verstummte, und in ihrem rechten Augenwinkel erschien eine Träne.
Lass gut sein, dachte Carlyle mitleidlos. Du hast dem armen Schwein nur ab und zu einen Saft verkauft.
»Hat er Drogen genommen?«
Sie schaute ihn auf eine Weise ausdruckslos an, die für Carlyle besagte: Ja, natürlich hat er welche genommen, du Idiot! »Nein.«
»Sind Sie sicher?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich hab Felix nie was Illegales in die Hand nehmen sehen.«
Ich bräuchte ein paar schwere Drogen, wenn ich den ganzen Tag die verdammten Bongotrommeln spielen müsste, sinnierte Carlyle. »Okay, war er krank?«
»Nein, nein, er war sehr gesund.«
»Was hat er außerdem noch gemacht?«, fragte Carlyle. »Abgesehen davon, dass er hier für die Touristen gespielt hat?«
»Er hat seine Musik geliebt. Er hat oft mit Kindern gearbeitet und Trommel-Workshops veranstaltet.«
»Hier?«
»Nein, in Hackney. Er hatte auch seine eigene Band. Sie heißen Toompea. Sie spielen alternativen Folk-Rock.«
»Mhm-hmh.« Carlyle schaltete ab; dieser tote Typ wurde von Sekunde zu Sekunde weniger interessant.
Kylie schaute ihn erwartungsvoll an, weil sie offenbar mit einer weiteren Frage rechnete, aber ihm wollte nichts mehr einfallen.
»John?« Er wurde von Susan Phillips gerettet, die von irgendwoher aufgetaucht war.
Er hielt der Gerichtsmedizinerin eine Hand entgegen, um ihr zu signalisieren, dass er gleich bei ihr wäre. »Vielen Dank«, sagte er zu der jungen Frau. »Geben Sie Sergeant Prentice Ihre persönlichen Daten, dann bleiben wir in Kontakt.«
»Was ist mit ihm geschehen?«, fragte Kylie.
»Das müssen wir noch herausfinden. Falls Ihnen noch irgendetwas einfällt, das uns weiterhelfen könnte, sollten Sie uns das sofort mitteilen.« Er wandte sich von ihr ab, bevor sie wieder anfing zu weinen, ging zu der Rechtsmedizinerin und begrüßte sie mit einem Lächeln. »Wie schön, Sie zu sehen, Susan.«
»Sie auch, John. Sie haben hier einen interessanten Fall.«
Susan Phillips, die in der Polizeistation Holborn zehn Minuten von der Piazza entfernt ihr Büro hatte, gehörte seit mehr als fünfzehn Jahren als Rechtsmedizinerin zum Personalbestand der Metropolitan Police. Sie war
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