Letzte Reise
Offiziere, die mit James gefahren waren, schrieben seiner Witwe Briefe mit Beileidsbezeigungen und sorgfältig formulierten Erinnerungen; manche machten ihre Aufwartung und hinterließen einige Zeilen, wenn Charlotte oder Jane sie fortschickten. King dagegen ließ nicht locker, bis Charlotte ihn an einem trüben Januartag in die Stube führte.
Elizabeth saß in einem ihrer schwarzen Kleider am Tisch und schrieb Dankesbriefe. Sie musterte den hochgewachsenen Mann, auf dessen langem Leib der Kopf ein wenig zu klein wirkte, unterdrückte beim Anblick der Kapitänsuniform einen schmerzhaften Stich und reichte James King die Hand. Sie dachte an den Wutausbruch ihres Mannes, als King sich vorgestellt hatte.
»Mein Mann sprach mit großem Respekt von Euch«, sagte sie.
King lächelte wie ein Kind, das es nach Komplimenten hungert. Er kondolierte ihr zum Verlust ihres Sohnes und begann dann sogleich von James zu sprechen.
»Wir hatten die Liebe zur Astronomie gemein, und wir waren beide gleichermaßen von der Bedeutsamkeit einer guten Berichtführung überzeugt. Ich habe in der letzten Zeit mit Bewunderung das Journal von der zweiten Reise gelesen. Ein wunderbares Buch mit gut gewählten Illustrationen. Es vermittelt ein umfassendes Bild von der Größe Eures Mannes.«
»Ich hörte, daß Ihr das Schreiben des Logbuchs übernommen habt?«
King nickte. »Kapitän Gierke machte selbstverständlich auch Aufzeichnungen, er war nach dem Tod Eures Mannes schließlich der Expeditionsleiter. Doch sein Gesundheitszustand schränkte ihn sehr in seinen Aktivitäten ein. Es ist Euch bekannt, daß er im August desselben Jahres gestorben ist? Wir haben ihn an Land begraben können, auf Kamtschatka. Nach ihm bekam John Gore das Kommando. Und ich wurde Kapitän der Discovery. Gore ist kein Liebhaber des geschriebenen Wortes, daher fiel weiterhin mir diese Aufgabe zu.«
Gore auf der Resolution, das hätte James schlimm gefunden, dachte sie. Unentschlossen, illoyal und ein Kopf wie eine Kartoffel. Besser nichts sagen. Es würde natürlich ein Buch über diese letzte Reise erscheinen. Und sie würde sich mit diesem King über die Tantiemen abstimmen müssen. Er habe wahrlich etwas von James, sagte sie ihm. Er errötete.
»Wißt Ihr, daß ich manchmal für den Sohn des Kapitäns gehalten wurde? Die Insulaner dachten, wir führten ein religiöses Ritual aus, wenn wir mit unseren Fernrohren und Sextanten den Himmel studierten. Wenn wir irgendwo für längere Zeit blieben, brachten wir den Chronometer an Land und stellten ihn in einem speziellen Zelt auf, bei dem immer zwei Marinesoldaten Wache hielten. Kapitän Cook und ich hatten natürlich freien Zugang, weil wir die astronomischen Beobachtungen ausfuhren mußten. Sie dachten, er sei der Hohepriester dieser fremden Religion und ich sein Sohn und Nachfolger! Wir hätten ihnen gerne erklärt, wie es sich verhielt, aber das war in der fremden Sprache zu kompliziert. Ich ließ hin und wieder einen von ihnen durch das Fernrohr spähen. Es war ein Heidenschrecken für sie, daß man einen Gegenstand aus der Ferne so nah heranholen konnte. Ein Wunder. Ich ließ sie gern in dem Glauben der Verwandtschaft. Ich empfand das als Ehre.«
»Die Reise«, fragte Elizabeth. »Ich weiß, daß man keine Durchfahrt gefunden hat, aber was ist aus den anderen Zielen der Reise geworden? Omai? Den Tieren?«
Sie wußte eigentlich gar nicht, ob sie die Antworten auf ihre Fragen wirklich hören wollte, es interessierte sie kaum, was er erzählte, aber es mußte geschehen, die Stunden mußten gefüllt und die guten Manieren gewahrt werden.
»Kapitän Cook machte sich große Sorgen um Omai. Er mochte ihn, er schätzte sein heiteres Wesen und seine Begeisterungsfähigkeit, aber er hatte auch seine Bedenken. Keine Feuerwaffen, sagte der Kapitän. Omai würde sich schwerlich beherrschen können, wenn seine Stammesgenossen ihn angriffen. Aus Furcht vor neidischen Vergeltungsaktionen haben wir Omai schließlich auf eine kleinere Insel gebracht, wo ihn niemand kannte. Wir haben ihm ein Haus gebaut, mit einer Eingangstür, die ein richtiges Schloß hatte. Und einem Garten darum herum, aufs beste angelegt. Der Abschied war anrührend; er hielt sich wacker, bis zu dem Moment, da er den Kapitän umarmte. Da weinte er laut und klammerte sich an ihm fest. Der Kapitän hoffte, daß Omai sich um den Garten und die bei ihm zurückgelassenen Schale und Ziegen kümmern würde, aber große Zuversicht hatte er nicht. Omai hatte ein
Weitere Kostenlose Bücher