Letzte Reise
wieder auf.
Das Boot glitt an Westminster Abbey vorüber und ließ das Getriebe der Stadt schon bald wieder hinter sich. Erneut fuhren sie an Weiden und Schilfgürteln entlang; James zeigte ihr die Kirchtürme von Clapham und Richmond in der Ferne. Sie ließ es geschehen, ließ die Stadt und das Land passieren, als bewegte sie sich nicht von der Stelle, und eine Riesenhand zerrte die Landschaft an ihr vorüber.
Sie legten an. Geschrei, triefende Ruder, ein Tau um einen Poller. James gab den Ruderern ein Trinkgeld. Kaum waren die Fahrgäste an Land gestiegen, verschwanden die Marinesoldaten in Richtung Wirtshaus. Nur einer blieb zurück, um das Boot zu bewachen und seinen Kameraden Bescheid zu geben, wenn sie wieder in Aktion treten mußten.
James reichte Elizabeth den Arm, und sie schlenderten auf das Eingangstor der königlichen Gärten zu.
»Banks ist hier ehrenamtlicher Direktor. Er hat sich der Gärten bemächtigt, weil er der Meinung ist, daß er am meisten davon versteht. Da hat er wahrscheinlich sogar recht. Der König findet es fabelhaft und heißt alle Pläne gut. Mehr Personal, Anlage von gläsernen Treibhäusern, Verlegung von Bachläufen, damit Wasserfälle und Teiche entstehen – es kann noch so verrückt sein, hier wird es gemacht, mit königlichem Segen. Schau mal, diese Blumenbeete! Hier arbeiten hingebungsvolle Menschen, das sieht man gleich. He, Nelson!« Ein über einen Strauch gebeugter hagerer Mann richtete sich auf, als er seinen Namen hörte. Das runzlige Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, sobald er James erkannte. Schlurfende Schritte über den Kiesweg, ein Händedruck, eine Verbeugung.
»Ich habe schon Kisten und Kartons und Fließpapier herrichten lassen«, sagte der Mann. »Eine Blumenpresse, Etiketten, reichlich Formalin. Es steht alles bereit, um nach Deptford verschifft zu werden. Ich bin soweit. Bis wir abreisen, habe ich noch ein Auge auf die hiesigen Angelegenheiten, die Frostschäden, das Austreiben der Zwiebelgewächse. Darf ich Euch einen angenehmen Spaziergang wünschen?«
Landeinwärts liefen sie, eine leichte Steigung hinauf. Die Sträucher hier waren voller; da und dort sah Elizabeth hohe Bäume, deren Knospen kurz vor dem Aufbrechen waren. Jedes Jahr wieder, dachte sie, dieser dumme, elende Frühling ist nicht aufzuhalten. Unwiderruflich kam der im Winter erstarrte Saft in Bewegung, die Sonnenwärme gab einen Befehl, und die willenlosen Bäume gehorchten, vergaßen, wie sie, von den Herbststürmen gegeißelt, ihr Laub verloren hatten, und begannen von neuem, ohne Erinnerung, mit kindlicher Hoffnung.
»Schau«, sagte James, »der Baum dort, der bekommt Früchte, die wie Brot schmecken. Du tunkst sie in Salzwasser, und es ist, als würdest du Brot mit Salz essen. Dahinter stehen Bäume, aus denen du eine Art Gummi zapfen kannst. Am schönsten sind die Riesenfarne, aber die gedeihen hier schlecht. Und die Palmen! All diese Arten und Formen!«
Es war offensichtlich, daß er etwas anderes sah als sie. Er spazierte durch einen tropischen Wald, dunkelgrün und vol1er ökonomischer Versprechen. Sie ging über eine unfruchtbare Fläche mit halbtoten, grauen, von der Kälte gepeinigten Gerippen. Er sah volle Sträucher mit fremdartigen, wie Hände, wie Feuerzungen geformten Blättern; sie sah schlappe, farblose Stiele auf der kalten Erde liegen.
Sie hörten Stimmen, sie waren nicht allein in dem Garten. Am Ende eines überwachsenen Durchgangs sahen sie eine Menschengruppe. Lakaien, entdeckten sie, als sie näher kamen, vier Lakaien, geschart um einen Mann in einem einfachen grünen Mantel, barhäuptig, der Wind blies sein wirres Haar in die Höhe, wo war seine Perücke? In den Händen eines Lakaien, sah Elizabeth. Der Mann erblickte sie, als sie aus dem Wandelgang heraustraten, und sein Gesicht strahlte auf.
»Kapitän Cook!« rief er aus. »Welch perfekte Überraschung!« Er machte sich nicht die Mühe, seine Haartracht in Ordnung zu bringen oder seinen Mantel zuzuknöpfen, sondern kam sogleich mit ausgestreckten Armen auf sie zu.
»Guten Morgen, Majestät«, sagte James. Elizabeth hob leicht ihren Rock an und machte einen Knicks.
»Kapitän! Gnädigste! Gehen wir spazieren!« Der König bedeutete seinen Dienern mit wedelnder Hand, daß sie sich entfernen sollten, und sie zogen sich prompt in einen Schuppen zurück.
»Unser guter Freund, der gar nicht genug zu preisende Banks, hat es hier aufs Beste gerichtet. Und es wird noch schöner! Größer! Die Orangerie, die
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