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Letzte Reise

Letzte Reise

Titel: Letzte Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Enquist
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Gewächshäuser, die Pflanzenteiche! Die ganze Welt wird hier zusammengebracht. Dank Euch!« Der König faßte James und Elizabeth bei den Händen, und sie liefen wie drei kleine Kinder Hand in Hand an den trostlosen Beeten entlang.
    »Das hier ist meine größte Wonne. Und ich freue mich sehr auf die kommenden Sendungen. Die arktische Flora! Rauschbeeren, Preiselbeeren, Moosbeeren! Die Zwergbirke! Ihr laßt mich doch nicht im Stich?«
    Elizabeth fühlte heftige Krämpfe durch die königliche Hand gehen. Sollte sie die Hand streicheln, um den aufgeregten Herrscher zu beruhigen?
    »Sie wollen, daß ich die ganze Welt unter meine Herrschaft bringe. Britische Handelsposten und Kolonien überall. Ich gebe nach, ich muß wohl, aber wißt Ihr, das ist mir ganz gleichgültig. Ich finde England groß genug. Man muß natürlich hie und da eine Fahne in den Boden pflanzen, das ist nun einmal Brauch, und den müssen wir respektieren. Aber mehr ist es nicht! Eine Fahne bekommt keine Wurzeln, nicht wahr?« Der König stieß ein seltsam hohes Lachen aus.
    »Stellt sie ruhig irgendwo hin, diese Lappen am Stock. Mir ist das einerlei. Aber sagt es nur nicht weiter! Der Austausch von Gewächsen ist das eigentlich Wichtige. Dank der Entdeckungsreisen kann die Welt an den Segen unserer Felder teilhaben. Kartoffeln! Birnen! Dinkel! Ach, Kapitän, wißt Ihr, wie sehr ich es bedaure, daß wir geneigt sind, die Fauna zu vergessen? Ich habe einen Plan! Kommt!«
    Er zog sie zu einer Bank unter einer mächtigen Trauerweide. Sie nahmen hinter einem Vorhang aus herabhängenden Zweigen Platz, die von einem gelblich-grünen Schleier beinahe aufplatzender Knospen gefärbt waren. Der König beugte sich zu James hinüber und begann nahezu flüsternd zu sprechen.
    »Rindvieh – Kühe, Färsen, Kälber, auch Ochsen! Und natürlich die Hammel und die Mutterschafe, die Ziegen, Kaninchen, das Federvieh, das versteht sich ja von selbst. Aber auch Pferde, sechs an der Zahl, hatte ich gedacht.«
    Der König machte ausholende Gebärden, als streichle er eine Pferdeflanke. Dann wieder umfaßte er James' Arm mit beiden Händen und sprach ihm hoch und heiser ins Ohr.
    »Wir konzentrieren uns auf Tahiti, jenes prachtvolle Eiland soll unser Vorposten werden. Wie bewegen sich die Menschen dort fort?«
    »Sie segeln, Majestät«, sagte James. »Sie fahren um die Insel herum, gehen an Land und laufen dann, wohin sie wollen.«
    »Zu Fuß? Ein jeder geht zu Fuß? Ein jeder?«
    »Es wird in der Tat viel zu Fuß gegangen. Die Personen, die man als heilig ansieht, der örtliche Herrscher oder der höchste Priester, werden auch schon mal getragen.«
    »Ja, ja, in einem Tragsessel wohl«, rief der König. »Machtlos unter einem Baldachin. Und holpern und schaukeln und immer die Angst, daß ein Träger strauchelt. Jetzt bin ich ganz sicher: Ihr müßt Tahiti das Pferd bringen. Ein Geschenk vom britischen König. Durch Wälder und über Berge, im Galopp! Sie müssen natürlich reiten lernen. Die Ochsen hatte ich dazu gedacht, den Ackerbau auf ein höheres Niveau zu bringen. Die Kühe müssen auch mit. Was können Kühe? Die Weidegründe sauberhalten. Überdies bringen sie die gesamte Milchwirtschaft mit sich. Käseherstellung! Milchdistribution! Ich könnte mir denken, daß die Fruchtbarkeit der Insel durch meine Geschenke verzehnfacht wird. Welche Freude! Welche Dankbarkeit! Und Ihr werdet mir helfen.«
    »Das wird Millimeterarbeit an Bord«, sagte James. »Die Tiere nehmen viel Raum ein, und das Futter, das wir für sie mitnehmen, noch weit mehr. Wasser. Ich werde einen Plan entwerfen. Großvieh verträgt die See schlecht. Es wäre zu überlegen, ob wir die Tiere von den Holländern am Kap kaufen sollten.«
    Der König machte ein enttäuschtes Gesicht. »Aber ich möchte sie ihnen schenken! Englische Pferde, britische Rinder. Eine Geste von Insel zu Insel!«
    Er sprang auf und setzte den Spaziergang fort. Elizabeth sah, daß die Lakaien ihnen in einigem Abstand behutsam folgten. Warum sagte James nicht, daß dieses Vorhaben unsinnig war? Bei tosendem Sturm Mist schaufeln und Wassertröge füllen, das klägliche Gebrüll der Tiere ertragen? Das Leben auf Tahiti erschien ihr, soweit sie aus den Schiffstagebüchern einen Eindruck davon hatte gewinnen können, gut, so wie es war. Unter der Tropensonne wartete niemand auf Milch und Käse. Sie stellte sich das Geräusch vor, das Pferdehufe auf Decksplanken hervorriefen, das Schiff ein immenser Klangkörper für das ängstliche

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