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Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet

Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet

Titel: Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Herden
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brauchen, weil ihre Kinder schon groß sind«, sagte ich.
    »Alle Eltern sind also weg«, meinte die Prinzessin.
    »Nein, das stimmt nicht ganz. Nur die, deren Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren alt sind«, fasste Sandro unsere Beobachtungen zusammen.
    »Und die Omas, die mit ihren Enkelkindern zusammenwohnten«, fügte ich leise hinzu.
    Aber wo die Eltern und Großeltern waren, das wussten wir nicht. Und warum sie weggegangen waren, das wussten wir auch nicht. Damals zumindest noch nicht. Wir sollten es erst viel später herausfinden.
    Der Regen begann am Dienstag vor drei Wochen. Wolken zogen auf und verdunkelten die Sonne. Die Tropfen rieselten ganz leise nieder. Doch dann wurde der Regen stärker und hörte nicht mehr auf. Am Nachmittag liefen Bäche den Rinnstein entlang und überschwemmten die Hütten. Alles tropfte und triefte. Erst tanzten noch einige Kinder im Regen. Aber gegen Abend war es draußen so ungemütlich, dass die Kinder frierend ihre Schultern hochzogen. Einige gingen wieder nach Hause, aber die meisten packten ihre Sachen und zogen in die Schule. Dort belegten sie in Gruppen und Banden die Klassenräume und Flure. Nachdem wochenlang die Sonne geschienen hatte, regnete es drei Tage lang Bindfäden, wie Oma gesagt hätte, wenn sie da gewesen wäre.
    Die Kinder, die nach Hause gegangen waren, zogen auch bald in die Schule. Überall waren Matten, Matratzen, Schlafsäcke, Kleidung und Spielzeug verteilt. Außerdem roch es nicht gut. Und das lag nicht nur daran, dass alles ein bisschen feucht war oder dass sich seit Tagen niemand mehr gewaschen hatte und dass überall Essensreste herumstanden. Es lag auch nicht an den vielen Haustieren und Ratten, die in den Fluren herumhüpften, oder an den ungeputzten Toiletten. Es lag einfach an allen Dingen zusammen.
    »Wenn es nicht bald aufhört zu regnen, wird der Geruch immer schlimmer und das wird keiner lange aushalten«, befürchtete Sandro. »Außerdem brechen hier noch Krankheiten und schlimme Seuchen aus, wenn das so weitergeht.«
    »Ob überhaupt noch jemand bei sich zuhause wohnt?«, fragte die Prinzessin mit einer verschnupften Stimme, denn sie hatte sich zusätzlich zu dem Sturzhelm noch eine Taucherbrille aufgesetzt. Die gehörte ebenfalls zu Mamas Überlebensausrüstung.
    »Wir wohnen noch zuhause«, sagte ich.
    »Ich wollte jetzt wirklich nicht alleine sein«, näselte die Prinzessin.
    »Niemand möchte jetzt gerne alleine sein«, sagte Sandro.
    Wir schauten in ein Klassenzimmer. Hier hatten die Kinder ein riesiges Schlaflager auf dem Boden errichtet und aus Decken, Handtüchern und Kleidungsstücken ein großes Zeltdach darübergespannt. Darunter saßen sie und spielten Karten und Mensch ärgere dich nicht.
    »Riecht zwar nicht besonders gut«, sagte ich, »sieht aber wirklich gemütlich aus. Wollen wir heute Abend nicht auch einmal was spielen? Wir haben eine Menge Spiele zuhause.«
    »Hey, Sandro! Hallo, Kurt! Hallo, Prinzessin! Ihr seid ja auch hier«, rief eine Stimme und ich erkannte Johannes, der uns fröhlich zuwinkte.
    Sandro und ich setzten uns zu ihm auf die Matratze, aber die Prinzessin blieb stehen.
    »Was macht ihr denn so?«, fragte Max, der auch unter der großen Zeltkonstruktion saß. Er war schon am ersten Tag, als er begriffen hatte, dass es niemanden kümmerte, nicht mehr in die Schule gekommen.
    »Nichts Besonderes. Wir wohnen jetzt bei Kurt«, antwortete Sandro. Max nickte. Dann sagte er: »Du Kurt, eigentlich war das mit den Orangen und dem Saft ja total einfach. Ich habe aber nur Bahnhof verstanden, weil Frau Müller das so umständlich erklärt hat.«
    Ich wusste genau, was er meinte.
    »Darum gehe ich auch nicht mehr in die Schule«, sagte Johannes. Dann guckte er sich in dem chaotischen Klassenzimmer um und grinste. »Na ja, so ganz stimmt das ja nicht.«
    Wir mussten alle wie verrückt lachen.
    »Jedenfalls hätte ich mich niemals über eine schlechte Note geärgert, wenn ich gewusst hätte, dass sich meine Eltern sowieso nicht für mich interessieren«, fuhr Johannes fort und plötzlich waren wir alle ganz still.
    »Ja, gerne«, sagte da die Prinzessin in die Stille hinein, »ich würde gerne mit euch heute Abend ein Gesellschaftsspiel spielen.«
    Da freute ich mich sehr auf den Abend. Trotz allem.
    In der Nacht war es warm und wir ließen die Fenster offen. Ich konnte nicht einschlafen und lauschte nach draußen. Kein Kinderlachen war mehr zu hören. Nur der Regen. Bling. Blang. Blong. Er hörte sich ganz anders

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