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Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet

Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet

Titel: Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Herden
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an als sonst. Die Tropfen spielten eine seltsame Melodie auf den Dächern der Hütten, die verlassen auf der Straße standen.
    Plötzlich war da noch ein anderes Geräusch: ein Platschen, Wispern und Quaken. Ich schlich ans Fenster und schaute vorsichtig hinaus. Doch wir wohnten viel zu hoch. Zwar glaubte ich im Licht der Straßenlaternen kleine Wesen zu erkennen, die zwischen den Hütten hin- und herhuschten. Aber so genau konnte ich das nicht sehen. Wahrscheinlich waren es Ratten, die die Reviere der Kinder übernahmen. Ich schlich wieder zurück ins Bett und wartete auf den Schlaf.
    Irgendwann muss ich eingeschlummert sein, denn ich hatte einen schönen Traum. Mama, Papa, Oma und ich hatten Schwimmwesten an und Sturzhelme auf. Wir saßen in einem Gummiboot und schossen durch die wilden Stromschnellen eines Gebirgsbaches, der so blau und kalt war wie geschmolzenes Eis. Wir waren klatschnass und konnten einfach nicht mehr aufhören zu lachen.
    »Kratziger Drosselbart!«
    Der Fluch der Prinzessin riss mich aus dem Traum. Ihre Stimme kam aus dem Wohnzimmer.
    »Guten Morgen«, sagte ich, als ich aufgestanden war.
    Die Prinzessin saß am Tisch und nähte rosafarbene Bänder an ihre Röcke. Eigentlich nähte sie gerade nicht, denn sie saugte an ihrem linken Zeigefinger. Sie hatte sich wohl aus Versehen mit einer Nadel hineingestochen. In einer Sofaecke saß ein hin und her wackelnder Sandro.
    »Mensch, Kurt, du hast aber lange geschlafen«, stöhnte er und strich sich die Haare hinter die Ohren. »Ich konnte nicht einschlafen und lag die halbe Nacht wach«, erklärte ich den beiden.
    »Das kenne ich«, meinte Sandro.
    »Lasst uns in die Schule gehen und schauen, ob es etwas Neues gibt«, beschloss die Prinzessin für uns alle und legte ihr Nähzeug in ein Körbchen. Als sie aufstand, konnte ich sehen, dass ungefähr zehn neue Bänder an ihrem Rock flatterten.
    In der Schule sah es so aus, als hätte sich seit dem Vortag nicht viel verändert. Es roch noch schlimmer und die Kinder guckten noch ein bisschen mürrischer in den Regen hinaus. Doch dann stieg uns plötzlich ein angenehmer Geruch in die Nase.
    »Hier riecht es aber lecker!«, rief Sandro und flitzte um die nächste Ecke. Von dort kamen uns einige Kinder entgegen. Sie lachten und trugen volle Teller in den Händen.
    »Guckt euch das an! Hähnchen und Pommes!«, rief uns Johannes zu und hielt seinen Teller hoch. »Wo hast du das denn her?«, fragte ich und spürte, wie mir das Wasser im Mund zusammenlief. »Da vorn in der Eingangshalle steht so ein komischer Typ und verteilt Essen an alle Kinder.«
    Die Prinzessin nahm meine Hand und wir liefen dem köstlichen Geruch entgegen. Als wir um die Ecke bogen, konnten wir vor lauter Kindern gar nichts erkennen. Die Prinzessin zog mich mitten ins dichte Gewühl.
    »Nicht drängeln, Kinder! Nicht drängeln! Es ist genug für alle da«, hörte ich eine Stimme.
    Es war eine nervöse, näselnde Stimme, die unangenehm hoch und piepsig klang. Doch den Kindern machte das nichts aus. Sie hatten seit Tagen nichts Warmes gegessen und da war es ihnen egal, wer die Hähnchenschenkel mit Pommes Frites verteilte. Endlich standen die Prinzessin und ich vor einem Wagen mit bunten Wimpeln und heißen Platten. Darauf schmurgelten Hähnchenschenkel und Pommes Frites vor sich hin. Die Kinder drängelten vor dem Wagen und hielten die Hände auf, um einen der gefüllten Teller zu erhaschen, die jemand herüberreichte.
    Und dieser Jemand sah so seltsam aus, dass mir beinahe der Hunger vergangen wäre. Er war kaum größer als wir Kinder. Seine kurzen streichholzdünnen Beinchen steckten in engen, karierten Hosen. Darüber wölbte sich ein kugelrunder Bauch. Er schien überhaupt keinen Hals zu haben. Sein Gesicht war besonders merkwürdig. Er hatte eine große spitze Nase und kleine schwarze Äuglein. Über seinem winzigen Mund hingen einige lange Barthaare. Auf seinem Kopf und Hals wuchs etwas, das wie ein räudiges Fell aussah. Wir standen vor dem Rattenmann. So sollten wir ihn später nennen.
    Keins der Kinder schien es zu stören, dass der Typ wie eine Ratte aussah. Wahrscheinlich hatten sich alle inzwischen an die Ratten gewöhnt, die überall herumliefen. Sie gehörten einfach dazu und viele Kinder hatten sich ja sogar mit einem Tier befreundet.
    Doch bei dem leckeren Geruch des Essens hatte ich eigentlich keine Lust, mir um den Rattenmann Gedanken zu machen. Mein Magen knurrte laut und mein Bauch schien sich vor Hunger nach innen zu

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