Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet
bis sie verschwunden waren. Dann betraten wir vorsichtig die Bäckerei. Die Vitrinen waren zertrümmert und in der Auslage war kein Krümel mehr zu sehen. Auch die Regale und die Brotkörbe waren leer. Die Bäckersfrau stand in ihrem Geschäft und schüttelte den Kopf.
»Das muss ein Orkan gewesen sein«, sagte sie zu sich selbst. »Hier in unseren Breiten! Das ist doch einfach unglaublich! Das muss ein richtiger Orkan gewesen sein.«
Wir drehten uns um und liefen schnell nach Hause. Ich hatte zum ersten Mal ein bisschen Angst.
Regentage
Dann kamen die Ratten. Wie dunkle Schatten hockten sie eines Tages in allen Ecken und Winkeln unseres Viertels. Sie fürchteten sich nicht vor den Menschen und rannten nicht vor uns weg. Sie waren einfach da und schienen uns mit ihren kleinen schwarzen Knopfaugen zu beobachten. Manche Kinder fütterten sie und freundeten sich sogar mit dem einen oder anderen Tier an. Einige Jungen und Mädchen trugen die zahmen Ratten auf ihren Schultern mit sich herum. Irgendwie ließ mich das Gefühl nicht los, als wollten die Ratten das so. Die Frage war nur, warum?
»Ich glaube, die Ratten versuchen uns auszuspionieren«, sagte ich. »In Büchern und Märchen sind die Ratten oft die Boten des Bösen«, sagte Sandro.
»Oder die Krähen«, meinte die Prinzessin und schaute in den Himmel, von dem im selben Moment eine krächzende, schwarze Wolke herabschwebte. »Vielleicht fallen sie uns jetzt aber auch einfach nur auf, weil wir die ganze Zeit auf irgendetwas warten und nicht wissen, auf was. Vorher gab es doch auch schon Ratten und Krähen …« Die Prinzessin unterbrach sich selbst und klatschte begeistert Beifall, weil die Krähen in einer langen geraden Reihe auf einem Dachfirst gelandet waren. Mir schien es fast, als verbeugte sich die erste Krähe huldvoll. Aber wahrscheinlich nickte sie nur mit dem Kopf, wie Vögel das eben so tun.
»Trotzdem – irgendwie verhalten sich die Tiere seltsam«, sagte ich und wir sahen einer großen grauen Ratte nach, die sich gerade von zwei Krähen in die Luft ziehen ließ. Sie hielt sich an Schnüren fest, die die Vögel an den Füßen trugen. »Oder habt ihr so was schon mal gesehen?«
Die Prinzessin und Sandro schüttelten die Köpfe.
Die Ratte sah zu uns herunter und grinste uns an. Dann ließ sie sich auf einen Mauervorsprung fallen und schlüpfte durch ein offenes Fenster.
»Irgendwie sah sie furchtbar gemein aus«, sagte die Prinzessin und ich fand das auch.
Wir liefen nach Hause und machten uns eine Pfanne Bratkartoffeln. Sandro und ich bereiteten alles vor und deckten den Tisch, während die Prinzessin aus den Kartoffeln gleich große Würfel schnitzte.
»Findest du nicht, dass du viel zu viele Kartoffeln verschwendest, wenn du so viel abschneidest?«, fragte Sandro. »Darum koche ich uns aus den Resten eine Suppe für morgen«, antwortete die Prinzessin. Ich hatte eigentlich keine große Lust mehr auf Suppe. Aber Oma sagte immer: »In der Not frisst der Teufel Fliegen.«
Ach, Oma! Ach, Papa! Wo wart ihr nur? Ich lief zu Papas Zimmertür und klopfte. Niemand antwortete. Als ich die Klinke runterdrückte, war die Tür wie immer abgeschlossen. Ich presste mein Ohr dagegen, konnte aber nichts hören. Oder war da nicht doch ein kleines Sirren? Vielleicht der Ventilator an Papas Computer! Ich klopfte noch einmal.
»Papa? Bist du da?«, rief ich.
Aber es kam keine Antwort.
»Ich frage mich, wo die Erwachsenen hingegangen sind«, sagte ich, als ich in die Küche zurückkam. Die Prinzessin, Sandro und ich zerbrachen uns immer und immer wieder die Köpfe darüber.
»Die Bäckerin, die Wäschereifrau, die dicke Frau Conradi von gegenüber und die Kassiererinnen im Supermarkt sind noch da«, überlegte ich.
»Auf der Straße laufen ja auch noch Erwachsene herum«, sagte die Prinzessin.
»Das sind aber alles ältere Leute. Und Jugendliche – die sind ja auch noch keine richtigen Erwachsenen. Und ganz schicke Leute, die nicht wie Eltern aussehen, sind auch noch da«, sagte Sandro.
»Da draußen sind nur noch Leute unterwegs, die sich kein bisschen darum scheren, was los ist. Die Kinder leben auf der Straße und machen, was sie wollen, und keiner kümmert sich darum. Wie kann das sein?«, fragte die Prinzessin.
»Vielleicht interessieren sich die übrig gebliebenen Erwachsenen einfach nicht für Kinder. Weil sie selbst keine wollen oder weil sie zu jung oder zu alt dafür sind«, überlegte Sandro.
»Oder weil sie sich nicht mehr zu kümmern
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