Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet
ich konnte das andere Ende zu mir herunterziehen.
»Ein kleiner Seilzug«, erklärte ich. »Wie praktisch«, hauchte die Prinzessin und mir rutschte fast die Brille von der Nase.
»Wir ziehen jetzt einen von uns am Seil hoch und der kann dann nachsehen, was da drinnen vor sich geht«, sagte ich. »Der Ring sieht allerdings ganz schön wacklig aus.«
»Kurt, du bist der Kleinste. Wir ziehen dich hoch«, sagte die Prinzessin.
Dagegen konnte ich nichts einwenden. Außerdem hatte ich eine Idee, wie ich mich am Seil festhalten konnte. Ich wickelte das Seil um einen meiner Füße und um mein rechtes Handgelenk. Dann hielt ich es mit beiden Händen oberhalb des umwickelten Gelenks fest. Das hatte ich mal im Zirkus bei einem Artisten gesehen. Sandro setzte mir die Stirnlampe auf und die Prinzessin verteilte eine Runde Traubenzucker zur Stärkung. Dann griffen Sandro und sie das andere Ende des Seils. Ich spannte meinen Körper an und die beiden zogen mich hoch. Ich erreichte das Fenster und reckte meinen Kopf. Der Strahl der Stirnlampe fiel in das Innere des Aquariums. Bis auf den Boden. Dann wurde mir schlecht.
»Ach, du grüne Neune!«, entfuhr es mir.
Am Boden des Raumes wimmelte es von seltsamen Kreaturen, die mit ihren riesigen Augen ins Licht glotzten. Offensichtlich waren sie genauso erschrocken wie ich. Plötzlich ging ein Ruck durch die gruselige Versammlung und wie ein Blitz verschwanden die glupschäugigen Wesen durch eine große Abflussöffnung in der Kanalisation. Der Letzte schob den Deckel wieder über das Loch. Nach wenigen Sekunden lag das Aquarium still und verlassen. Nur die Fische schliefen noch immer in ihren Becken. Es war einfach schauerlich.
»Könnt ihr mich bitte ganz schnell wieder runterlassen?«, wimmerte ich. Sandro und die Prinzessin ließen erschreckt das Seil locker.
Ich sauste nach unten. Glücklicherweise hielt Sandro das Seil im letzten Moment wieder fest. »Was hast du gesehen?«, fragte die Prinzessin und streichelte mir sanft über den Kopf.
Am liebsten hätte ich die Augen zugemacht. Doch das ging nicht. Dann glotzten mich nämlich riesige Glupschaugen an. Ich war mir sicher, dass Sandro und die Prinzessin mir nicht glauben würden. Trotzdem musste ich ihnen erzählen, was ich gesehen hatte.
»Es waren lauter Molche, Lurche und Olme …«
»Was sind Olme?«, unterbrach mich die Prinzessin.
»Gehören auch zur Familie der Lurche«, sagte Sandro. »Aber wieso dachte ich vorhin, es wären große Tiere?«
»Weil sie groß waren«, erklärte ich. »Sie waren etwa so groß wie Kindergartenkinder.«
»Vielleicht waren das japanische Riesenmolche. Die werden bis zu einen Meter fünfzig lang«, versuchte es Sandro mit einer logischen Erklärung.
»Es waren aber verschiedene Lurche. Nicht nur eine Art. Außerdem trugen sie Regenjacken. Kackbraune Gummijacken.«
Wir guckten uns an und ich glaube, in dem Moment empfanden wir drei dasselbe: Grusel und ein kleines bisschen Angst und Aufregung und Neugier.
»Schleimgrüner Erbsenenterich!«, sagte die Prinzessin. »Dann sehen die Müllmänner gar nicht aus wie Breitmaulfrösche, sondern …«
»… sondern es sind Breitmaulfrösche«, beendete ich ihren Satz. »Und hier im Aquarium scheinen sie ihren Versammlungsort zu haben.«
Später erfuhren wir, dass auf dem Plakat mit »Aquarium« eigentlich eine Bar in der Innenstadt gemeint war, in der Konzerte stattfanden. Aber das war nicht mehr wichtig. Ich glaube, uns hätte das Konzert der »Wütenden Schwestern« sowieso nicht so gut gefallen.
Das Wagnis
So schnell wir konnten, fuhren wir nach Hause. Als wir am Park vorbeikamen, drang laute Musik und Gelächter an unser Ohr.
»Wollen wir mal nachsehen, was da los ist?«, fragte Sandro.
»Ich habe heute eigentlich genug seltsame Sachen erlebt«, meinte die Prinzessin. Aber wir waren dann doch neugierig. Also machten wir einen Umweg durch den Park. Die Kinder hatten sich nicht getraut, hier ihre Hütten zu bauen. Denn der Park war nachts mit seinen riesigen Platanen ganz schön gruselig. Aber in dieser Nacht nicht. Denn in den Bäumen hingen lauter Lichterketten und im Gras steckten Fackeln. Zwischen den Blumenbeeten lagen Decken ausgebreitet. Daneben war ein großes Buffet aufgebaut und aus kleinen Lautsprechern klang wilde Rockmusik. Viele Erwachsene tanzten, aßen oder saßen lachend auf den Decken.
Wir blieben in einiger Entfernung stehen und beobachteten das bunte Treiben. Die Prinzessin zeigte auf das Schild, das alle Kinder
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