Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet
aufmachte.
»Also gut, Jungs, wie ihr wollt«, piepste Professor Kolossos. »Aber irgendwann müsst ihr etwas trinken.«
»Aber nicht Ihren Tee«, giftete Sandro ihn an. »Lieber werden wir hier elendig verdursten, als uns von Ihnen das Gehirn verwirren zu lassen.«
Einmal alle Stunde kam Professor Kolossos mit einem voll beladenen Tablett an die Gitterstäbe. Wir konnten das Essen und den Tee riechen. Der Duft blieb jedes Mal im Gang hängen, wenn der Professor wieder gegangen war. Es war zum Verrücktwerden.
Irgendwann klang Sandros Protest nicht mehr so laut und entschlossen wie am Morgen. Ich hätte inzwischen auch furchtbar gerne eine Tasse Tee getrunken. Er schmeckte ja eigentlich ganz gut. Konnte es wirklich so schlimm sein, sich für eine Weile wohlzufühlen? Außerdem hatte ich unvorstellbaren Durst.
»Wir müssen standhaft bleiben, Kurt«, beschwor mich Sandro immer wieder. Und sich selbst wahrscheinlich auch. »Wir müssen die Prinzessin retten. Wir müssen alle Kinder der Stadt, ja, vielleicht der ganzen Welt retten. So wie es aussieht, sind wir die Letzten, die noch einen klaren Kopf haben.«
Das wusste ich alles, aber wenn man länger als zwei Tage kaum etwas isst und trinkt und ein Männchen mit einem struppigen Bart einem stündlich ein großes Frühstück mit leckerem Tee anbietet, ist es verdammt schwer, ein Held zu sein. Dass inzwischen zwei Tagen vergangen waren, seitdem der Professor uns eingesperrt hatte, wussten wir, weil er es uns gesagt hatte. Ich hatte überhaupt gar kein Zeitgefühl mehr und wusste weder wann es Tag noch wann es Nacht war. Außerdem bekam ich furchtbare Kopfschmerzen.
»Was für ein alberner Name: Professor Kolossos!«, schnaubte Sandro ärgerlich, als wir mal wieder alleine waren. »Er nennt sich wie ein Riese, obwohl er ein Zwerg ist. Total bescheuert.«
Um uns die Zeit zu vertreiben, dachten wir uns Namen aus, die besser zu Professor Kolossos gepasst hätten: Doktor Weißhaupt, Zwerg Strubbelbart, Professor Minimi, Zwerglein Gernegroß … Es machte sogar ein bisschen Spaß, auch wenn es viel zu anstrengend war, darüber zu lachen. Dann erzählten wir uns Geschichten. Von zuhause, von unseren Eltern und von früher, als wir klein waren. Aber auch von den letzten vier Wochen, die wir gemeinsam erlebt hatten. Ich erklärte Sandro, wie ich den besten Computer der Welt bauen wollte und er erzählte mir von den Büchern, die er gelesen hatte. Es waren viele. Und sie waren nicht für Kinder geschrieben. Jetzt begriff ich auch, warum Sandro manchmal diese tollen Sätze sagte, die ich nicht verstand. Zwischendrin spielten wir Stein, Schere, Papier und Ich sehe was, was du nicht siehst . Aber das machte in einem weißen Raum mit weißen Möbeln nicht besonders viel Spaß. Wir versuchten, ein paar Hapkido-Atemübungen zu machen, aber dafür waren wir einfach zu geschwächt.
Doch schließlich konnten wir Hunger und Durst nicht mehr wegreden oder wegdenken. In der Nacht des zweiten Tages dachten wir eigentlich an überhaupt nichts anderes mehr als ans Essen und Trinken. Und als am dritten Morgen die Prinzessin mit einer Kanne Tee zu uns ins Zimmer kam, sie auf dem Boden abstellte und uns stumm anlächelte, gaben wir auf. Wir stürzten auf die Kanne und tranken und tranken und tranken. Wir tranken so viel, dass es uns beinahe aus den Ohren wieder herauskam.
Dann setzten wir uns auf das Bett und warteten auf die Wirkung des »Kinderglücks«. Die Prinzessin setzte sich dazu. Niemand sagte etwas. Wir starrten auf den weißen Boden und warteten. Aber nichts passierte. Ich fühlte mich nicht besonders wohl und ich war auch nicht plötzlich froh und zufrieden. Ich hatte riesigen Hunger, mir war langweilig und das viele Weiß um uns herum ging mir auf die Nerven. Außerdem war ich sehr traurig, weil die Prinzessin so stumm bei uns saß und sich an nichts zu erinnern schien. Auch bei Sandro wirkte das »Kinderglück« nicht. Er stupste mich vorsichtig an und ich zuckte mit den Schultern. Die Prinzessin hatte sich ebenfalls eine Tasse Tee genommen und trank sie langsam und bedächtig aus. Wir beobachteten sie dabei und warteten dann einfach weiter. Ich habe keine Ahnung, wie lange wir gewartet haben. Das stetige Sirren der Kameras erinnerte uns daran, dass wir die ganze Zeit beobachtet wurden.
Da passierte etwas mit der Prinzessin. Plötzlich begannen ihre Augen wieder zu strahlen wie zwei Sterne. Als hätte sie jemand angeknipst. Es sah toll aus. Dann fasste sie sich an die Stirn
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