Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet
Küche keine Kameras gibt«, sagte ich und wollte schon Sandro hinterherklettern. Doch da öffneten sich im Boden verschiedene Klappen, die wir bis dahin noch gar nicht bemerkt hatten. Aus denen krochen jetzt Lurche in kackbraunen Gummijacken. Sandro und ich erstarrten in unserer Bewegung. Die Lurche machten sich sofort über den Abwasch her – wenn man es denn so nennen wollte. Denn eigentlich leckten sie mit ihren großen Zungen einmal über die Teller und rieben mit gräulichen Küchenhandtüchern den Schleim ab. Dann verschwanden sie wieder in den Luken, ohne uns bemerkt zu haben. Wir sprangen auf den Boden und schüttelten unsere steifen Arme und Beine aus.
»Bäh, wie eklig«, sagte Sandro.
Ich hatte gerade genau dasselbe gedacht.
Gefangen
Wir schlichen zur Tür und guckten den Flur entlang. Er war genauso verlassen wie zuvor. Die Kameras zeigten jedoch mit ihrem ständigen Sirren an, dass wir immer noch beobachtet wurden.
»Wir werden immer noch beobachtet«, raunte ich Sandro zu.
Der nickte. »Ich weiß«, flüsterte er.
»Was ihr doch für kluge Kinder seid«, ertönte plötzlich eine laute Stimme.
Ich zuckte vor Schreck zusammen und Sandro deutete auf einen Lautsprecher in der Decke des Flurs. Daneben konnte ich auch kleine Mikrofone erkennen. Na klar, schoss es mir durch den Kopf. Es war ja nur logisch, dass man uns nicht nur beobachten, sondern auch hören konnte.
»Wir wollen mit Ihnen reden!«, rief Sandro.
Ich starrte ihn überrascht an. »Meinst du, das ist eine gute Idee?«, fragte ich.
»Hast du eine bessere? Er sieht uns sowieso die ganze Zeit und hört, was wir sagen. Dann können wir auch gleich zur Sache kommen. Heimlich Pläne schmieden können wir hier mit all den Kameras sowieso nicht.«
Doch, in der Küche, wollte ich sagen. Aber da öffnete sich am Ende des Ganges wie von Geisterhand eine Tür. Vorsichtig gingen wir auf die offene Tür zu. »Nur damit wir wissen, was uns erwartet: Sind Sie ein Mensch?«, rief Sandro. »Ha, ha, ha!«, lachte es schallend von allen Wänden. »Findet es heraus.«
Da blieb ich wie angewurzelt stehen.
»Wie meint er das?«, fragte ich flüsternd und dachte an das unheimliche Wesen aus meinem Traum.
»Entweder ist er kein Mensch, oder er ist einer, verkleidet sich aber und will sich nicht zu erkennen geben. Oder er weiß es selber nicht«, antwortete Sandro ebenso leise.
»Wie kann man das denn nicht wissen?«, fragte ich.
»Na vielleicht, weil man ihm von Kind auf immer wieder gesagt hat, er sei nicht das, was er zu sein glaubt.« Sandro sagte das so, als sei es das Logischste der Welt. Aber ich verstand überhaupt nichts.
Da öffnete sich plötzlich eine weitere Tür zwischen uns und dem Ende des Ganges. Ein schrilles Quietschen erfüllte die Luft und eine dicke Gänsehaut krabbelte mir über den Rücken. Ich war auf alles gefasst. Hier unten hatten wir ja gelernt, dass unsere ungeheuerlichsten Erwartungen immer noch übertroffen werden konnten. Aber es erschien erst einmal nur ein Servierwagen, wie ihn Zimmermädchen in Hotels vor sich herschieben. Das Quietschen kam von seinen Rädern. Der Wagen war mit Stapeln ordentlich zusammengelegter, strahlend weißer Wäsche beladen. Und er wurde von einem Mädchen in weißer Kleidung geschoben. Einem großen Mädchen mit einem festen Zopf und einem grünlichen Gesicht. Fast hätte ich sie nicht erkannt, ohne ihre Kleider mit den rosafarbenen Bändern und den wilden, feuerfarbenen Locken.
»Prinzessin!«, rief ich. »Da bist du ja!«
Ich wollte auf sie zulaufen und sie umarmen – obwohl ich mich so etwas eigentlich nie traue. Doch dann blieb ich wie angewurzelt stehen. Die Prinzessin schaute zwar in unsere Richtung, aber in ihrem Gesicht passierte nichts. Es blieb ausdruckslos – bis auf das zufriedene Lächeln, das wir von den Kindern im Schulhof so gut kannten. Aber ihre Augen strahlten nicht wie Sterne. Sie schob ihren quietschenden Wäschewagen an uns vorbei und sagte kurz »Hallo«. Dann verschwand sie in einem der Schlafsäle.
»Sie hat uns nicht erkannt«, sagte Sandro. In mir drinnen fühlte es sich an, als wäre da ein riesiges Loch und in dieses Loch fiel ich hinein.
»Kurt!«, Sandro hockte sich zu mir und berührte meinen Arm. »Hey, Kurt, weine nicht, bitte. Es ist nur dieser verdammte Tee. Das weißt du doch.«
Sandro gab sich alle Mühe und ich wusste, dass er Recht hatte. Trotzdem. Mir kam es so vor, als hätte alles keinen Sinn mehr.
»Sie wird niemals mit uns mitgehen«,
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