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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Falco.«
    »Offenbar nicht … Wie erklären Sie sich diese Gaunerei?«
    »Wer weiß? Ich schätze, Heliodorus war eine Art politischer Agent. Er muß die Nabatäer verärgert haben. Musa ist ihr Killer für unwillkommene Spione …«
    Wieder lachte ich, diesmal eher bitter. Es klang seltsam plausibel.
    Normalerweise durchschaue ich ein geschickt ausgeführtes Ablenkungsmanöver. Da aber tatsächlich ein politischer Agent unter uns war, und er jetzt tatsächlich als Stückeschreiber fungierte, hatte Grumios finstere Geschichte eine gespenstische Anziehungskraft. Ich konnte mir durchaus ein Szenario vorstellen, in dem Anacrites mehr als einen getarnten Mietknecht – sowohl mich als auch Heliodorus – nach Petra geschickt und der Bruder den finsteren Plan ausgeheckt hatte, uns beide von Musa zur Strecke bringen zu lassen. Helena hatte ja gemeint, Musa sei zu Höherem bestimmt. Vielleicht war er, über dessen Jugend und Unschuld ich mich die ganze Zeit so gönnerhaft ausgelassen hatte, in Wirklichkeit ein kompetenter Scharfrichter. Vielleicht waren all die Nachrichten an seine »Schwester«, die er in den nabatäischen Tempeln hinterlassen hatte, verschlüsselte Berichte an seinen Herrn und Meister. Und vielleicht würde der »Brief von Shullay«, auf den er so gewartet hatte, nicht die Beschreibung des Mörders enthalten, sondern Anweisungen, mich kalt zu machen …
    Oder vielleicht sollte ich mich lieber hinlegen, mit Gurkenscheiben zum Kühlen auf der Stirn, bis ich wieder klar denken konnte.
    Grumio erhob sich mit einem zurückhaltenden Lächeln. »Ich scheine Ihnen eine Menge Stoff zum Nachdenken gegeben zu haben! Richten Sie Helena schöne Grüße von mir aus.« Ich brachte ein gequältes Nicken zustande und ließ ihn gehen.
    Das Gespräch war frei von jeder Possenreißerei gewesen. Und doch hatte ich das dumpfe Gefühl, daß der Spaß auf meine Kosten ging.
    Sehr nett.
    Beinahe zu offensichtlich, um wahr zu sein, würde der finstere Spaßvogel Grumio gesagt haben.

LX
    Jetzt war meine Stimmung noch düsterer als zuvor. Es war wie ein Alptraum. Alles schien ganz nah an der Wirklichkeit und doch völlig verzerrt.
    Ich ging ins Zelt, um nach Helena zu sehen. Sie war wach, aber hochrot im Gesicht und fiebrig. Wenn ich nicht bald etwas tun konnte, waren wir in ernsthaften Schwierigkeiten, soviel war klar. Sie sah mir an, daß ich Probleme hatte und darüber sprechen wollte, aber sie machte keine Anstalten, mich danach zu fragen. Das allein war schon ein deprimierendes Zeichen.
    In diesem Zustand war ich kaum auf das gefaßt, was als nächstes passierte.
    Wir hörten draußen die Palmyrer rufen und schreien. Es klang nicht so, als würden wir von Räubern überfallen, aber ich befürchtete das Schlimmste und sauste aus dem Zelt. Alle rannten, alle in dieselbe Richtung. Ich griff nach meinem Messer, ließ es dann aber im Stiefel, um schneller laufen zu können.
    Neben der Straße hatte sich eine aufgeregte Gruppe um ein bestimmtes Kamel versammelt, einen Neuankömmling; der aufgewirbelte Staub hing noch in der Luft. Ich konnte sehen, daß das Vieh weiß war. Das Zaumzeug sah bunter aus als gewöhnlich und war mit mehr Fransen geschmückt. Als sich die Menge plötzlich teilte und ich besser sehen konnte, erkannten selbst meine ungeübten Augen, daß es sich hier um etwas Besonderes handelte. Eindeutig ein Rennkamel. Der Besitzer mußte ein örtlicher Stammeshäuptling sein, ein reicher Nomade, der mit Myrrhe ein Vermögen gemacht hatte.
    Ich verlor das Interesse und wandte mich ab, als jemand meinen Namen rief. Ein paar Männer aus der Menge deuteten auf jemanden, der unsichtbar zu Füßen des Kamels knien mußte. In der Hoffnung, Musa sei zurückgekehrt, trat ich näher. Man machte mir Platz, doch hinter mir drängte sich alles gleich wieder zusammen, um nichts zu verpassen. In ihrem Eifer traten sie mir sogar auf die Hacken. Schlecht gelaunt zwängte ich mich nach vorn durch.
    Auf dem Boden neben dem prächtigen Kamel wühlte eine in Wüstenkleidung gehüllte Gestalt in einer kleinen Gepäckrolle herum, stand schließlich auf und drehte sich zu mir um. Es war definitiv nicht Musa.
    Die kunstvolle Kopfbedeckung wurde zurückgeschoben, und ein erstaunliches Gesicht kam zum Vorschein. Farbenprächtige Augenschminke blitzte und Ohrringe, so groß wie Handteller, klimperten wie ein fröhliches Glockenspiel. Die Palmyrer staunten ehrfürchtig mit offenen Mündern. Dann zogen sie sich hastig zurück.
    Es war eine Frau.

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