Letzter Akt in Palmyra
näher an der Zivilisation. Wer wußte, worauf wir uns statt dessen zubewegten?
Helena lag hilflos da. Selbst in wachen Momenten wußte sie kaum, wo sie war. Ihr Arm schmerzte immer stärker. Sie brauchte dringend Ruhe, aber wir konnten in der Wildnis nicht bleiben. Unsere einheimischen Führer hatten das typisch nervige Gehabe von Ausländern angenommen: Sie betrachteten mich voller Mitgefühl und ignorierten mein Flehen, uns zu helfen, total.
Wir beeilten uns so gut wie möglich; ich mußte die Fahrerei allein übernehmen, nachdem sich Musa aus dem Staub gemacht hatte. Helena beschwerte sich nie – was ihr gar nicht ähnlich sah. Ihr Fieber brachte mich zur Verzweiflung. Ich wußte, wie sehr ihr Arm schmerzte, ein brennender Schmerz, der entweder von den beiden Schnitten kam, die ich hatte machen müssen, oder von etwas noch Schlimmerem. Jedesmal, wenn ich die Wunde verband, sah sie entzündeter und schlimmer aus. Um den Schmerz zu lindern, gab ich ihr Mohnsamensaft in einem warmen Honiggetränk, weil ich dem Wasser mißtraute. Phrygia hatte mir als Zusatz zu meiner Medizin noch etwas Bilsenkraut gegeben. Für mich war es das Schlimmste, Helena so benommen und verändert zu sehen. Ich hatte das Gefühl, sie sei weit fort von mir. Wenn sie schlief, was sie die meiste Zeit tat, fehlten mir die Gespräche mit ihr.
Dauernd kam jemand vorbei, um nach uns zu sehen. Sie waren alle nett, aber ich konnte mich nie in Ruhe hinsetzen und nachdenken. Die Unterhaltung, die mir am deutlichsten in Erinnerung geblieben ist, war eine weitere mit Grumio. Sie fand am Tag nach dem Unfall statt. Er kam wieder an, diesmal deutlich um Verzeihung bittend.
»Ich komme mir vor, als hätte ich Sie hängen lassen, Falco. Wegen Musa, meine ich. Ich hätte es Ihnen eher sagen sollen.«
»Das wäre nicht schlecht gewesen«, stimmte ich kurz angebunden zu.
»Ich sah ihn wegreiten, dachte aber kaum, daß er Sie für immer verlassen würde.«
»Es stand ihm frei, nach eigenem Gutdünken zu kommen und zu gehen.«
»Kommt mir etwas seltsam vor.«
»So sind die Menschen.« Das mochte sich verbittert anhören. Ich war völlig ausgelaugt. Nach einem harten Tag auf der Wüstenstraße, ohne Hoffnung, die Oase trotz unseres forcierten Tempos so bald zu erreichen, war meine Stimmung auf dem Nullpunkt.
»Tut mir leid, Falco. Sie sind bestimmt nicht besonders zum Reden aufgelegt. Ich habe Ihnen was zu trinken mitgebracht. Vielleicht hilft das ja.«
Es war mir sehr willkommen. Ich fühlte mich verpflichtet, ihn zum Bleiben einzuladen und den ersten Schluck mit mir zu teilen.
Wir sprachen über dieses und jenes und über Helenas Fortschritte beziehungsweise den Mangel daran. Der Wein half tatsächlich. Es war ein ziemlich gewöhnlicher roter Landwein. Petronius Longus, der Weinexperte des Aventin, hätte ihn mit einer wenig schmackhaften Substanz verglichen, aber so war er nun mal. Für einen müden, niedergeschlagenen Mann wie mich war er absolut trinkbar.
Ein wenig erholt, betrachtete ich die Flasche. Sie war von handlicher Größe, gerade richtig für ein mittägliches Picknick, wenn man hinterher nichts mehr vor hatte. Ihre bauchige Rundung steckte in einer Korbumhüllung, an der eine dünne, locker geflochtene Trageschlaufe befestigt war.
»Genau so eine habe ich an einem Ort gesehen, den ich nicht so schnell vergessen werde.«
»Wo war das?« fragte Grumio hinterhältig.
»Petra. Wo Heliodorus ertränkt wurde.«
Der Clown erwartete natürlich, daß ich ihn ansah, also starrte ich ins Feuer, als würde ich der trüben Erinnerung an diese Szene nachhängen. Wachsam achtete ich auf irgendwelche Zuckungen oder plötzliche Anspannung bei ihm, bemerkte aber keine. »Diese Art Flaschen kriegt man fast überall«, meinte er.
Das stimmte. Ich nickte. »Ich weiß. Ich sage ja auch nicht, daß sie vom gleichen Weinhändler aus derselben Lieferung stammt.« Trotzdem hätte das durchaus sein können. »Es gibt etwas, das ich Sie schon länger fragen wollte, Grumio. Man hat mir gegenüber angedeutet, daß Heliodorus wegen seiner Spielangewohnheiten umgebracht wurde.«
»Danach haben Sie schon Tranio gefragt.« Sieh an, die beiden hatten also darüber gesprochen.
»Ja, stimmt. Und er bekam einen Wutanfall«, sagte ich und fixierte ihn mit ruhigem Blick.
Grumio stützte nachdenklich das Kinn auf. »Warum wohl?« Er sagte das mit einem leicht boshaften Unterton, den ich schon früher gehört hatte. Er war kaum wahrnehmbar – hätte auch eine
Weitere Kostenlose Bücher