Letzter Akt in Palmyra
Bergketten verliefen hinter uns nach Norden, unterbrochen von langen, trockenen Wadis. Vor uns erstreckte sich bis zum Horizont die flache, von felsigem Geröll bedeckte gelbbraune Wüste. In einem steinigen Tal zu unserer Linken standen eckige Türme, von denen wir später erfuhren, daß es sich um Mehrfachgräber reicher Familien handelte. Sie hielten ihre einsame Wacht neben einem uralten Pfad, der von schützenden Hügeln umgeben war. Auf einem kahlen Abhang hütete ein Hirte auf einem Esel eine Herde schwarzgesichtiger Schafe. Im Näherkommen nahmen wir allmählich einen grünen Schimmer wahr und spürten die frohe Erwartung unserer Nomadenführer. Ich rief nach Helena. Die Wirkung war zauberhaft. Der Schimmer nahm rasch feste Formen an. Die Feuchtigkeit, die von den Salzpfannen und Teichen aufstieg, legte sich auf die Felder, die große Ansammlungen von Dattelpalmen, Oliven- und Granatapfelbäumen umgaben.
In der Mitte der riesigen Oase lag neben einer fröhlich sprudelnden Quelle, deren Wasser angeblich heilkräftig war (aber genau wie Thalias Tanz nichts für schwache Herzen), das berühmte alte Nomadendorf Tadmor, einst nicht mehr als ein Zeltlager in der Wildnis, doch nun die schnell wachsende, romanisierte Stadt Palmyra.
LXII
Wenn ich sage, daß in Palmyra die Zollbeamten ein höheres Ansehen genießen als die Mitglieder der Stadtregierung, können Sie sich den Grund dafür sicher denken. Eine einnehmende Stadt, ja, eine, die ihren Besuchern Zoll für alle eingeführten Güter abknöpft, diese freundliche Begrüßung dann mit exorbitanten Preisen für das Tränken der Kamele und Zugtiere fortsetzt und obendrein noch ein kleines Extrasümmchen für den Stadtsäckel abkassiert – für jedes Kamel, jeden Esel, Karren, Behälter oder Sklaven, die man beim Verlassen der Stadt wieder mitnehmen will. Und durch die Salz- und die Prostitutionssteuer war auch der Alltag klar umrissen: man wurde um die wesentlichen Dinge des Lebens betrogen.
Kaiser Vespasian, Enkel eines Steuereintreibers, regierte Palmyra mit leichter Hand. Vespasian quetschte gern den Steuerschwamm bis auf den letzten Tropfen aus, aber seine Leute vom Schatzamt hatten rasch kapiert, daß sie den tüchtigen Palmyrern wenig beibringen konnten. An keinem anderen Ort, den ich besucht hatte, war man so darauf aus (und so geschickt darin), Neuankömmlinge um ihr Taschengeld zu erleichtern.
Trotzdem kamen Händler mit ihren riesigen Karawanen aus den entlegensten Gegenden hierher. Palmyra lag zwischen Parthien im Osten und Rom im Westen, eine halb unabhängige Pufferzone, die dazu da war, den Handel zu ermöglichen. Von den Zöllen mal abgesehen, war die Atmosphäre wirklich angenehm.
Ursprünglich griechisch und jetzt von Rom regiert, war die Stadt vollgestopft mit aramäischen und arabischen Stammesmitgliedern, die noch vor kurzem Nomaden waren, sich jedoch noch an die Zeiten parthischer Herrschaft erinnerten und größtenteils nach Osten orientiert waren. Das Ergebnis war ein Kulturmischmasch, wie man ihn nirgends anders fand. Öffentliche Inschriften waren in Griechisch und in ihrer merkwürdigen eigenen Sprache abgefaßt. Es gab ein paar massive Kalksteingebäude syrischer Architekten, die mit römischem Geld von griechischen Handwerkern erbaut waren. Um diese Monumente verteilten sich recht ausgedehnte Vororte aus glattwandigen Lehmziegelhäusern, durch die sich schmale, ungepflasterte Wege schlängelten. Die Oase wirkte immer noch wie ein massiges Eingeborenendorf; es gab allerdings Anzeichen dafür, daß es jederzeit zu Ausbrüchen von Großmannssucht kommen könnte.
Die Leute waren unverschämt reich und hatten keine Hemmungen, ihren Reichtum zu zeigen. Nichts hatte uns auf die Farbenpracht der Leinen- und Seidenstoffe vorbereitet, in die sich jeder Palmyrer, der etwas auf sich hielt, zu hüllen pflegte. Die prächtigen Muster ihrer Kleidung glichen nichts, was man weiter westlich zu sehen bekam. Man bevorzugte Streifen, die aber keinesfalls einfarbig sein durften. Die Materialien waren ein erstaunlicher Augenschmaus kunstvoller Brokatmuster, verziert mit Blumen oder anderen erlesenen Symbolen. Und die für diese komplizierten Gewebe verwendeten Garne waren in beeindruckenden Schattierungen von Purpur, Blau, Grün und Rot eingefärbt. Es waren kräftige, warme Farben. Das Straßenbild unterschied sich in dramatischer Weise von dem in Rom, wo die aus kaum abgestuften Weißtönen bestehende Einfarbigkeit nur durch die breiten Purpurstreifen
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