Letzter Akt in Palmyra
noch Tranio. Er ließ sich mit einem Schulterzucken abführen. Gegen ihn lag eigentlich nichts vor. Tranio hatte sich unglaublich verhalten, aber unter den Gesetzen der Zwölf Tafeln gab es keines gegen schiere Dämlichkeit. Er hatte die kostbare Schriftrolle weggegeben, konnte sie nicht zurückbekommen und hatte Grumio dann unentdeckt weitermachen lassen, lange nachdem die Wahrheit klar gewesen sein mußte. Aber wenn er wirklich meinte, sein dummer Fehler vom Anfang sei mit Grumios Verbrechen vergleichbar, dann brauchte er eine Lektion in Ethik.
Als wir später darauf warteten, daß die Krämpfe und Lähmungen Grumios Leben ein Ende bereiteten, gestand Tranio schließlich, was er wußte: Grumio hatte allein gehandelt, Heliodorus in Petra auf den Berg hinaufgelockt und dafür gesorgt, daß es niemand mitbekam; Grumio war am dichtesten hinter Musa gewesen, als er in Bostra ins Reservoir fiel; Grumio hatte sogar mit seinem Zeltkameraden über die verschiedenen Versuche, mich lahmzulegen, gelacht – die Geschichte mit der Leiter, der Vorfall mit dem Messer und die Drohung, mich in das unterirdische Wasserleitungssystem von Gadara zu schubsen.
Als Helena und ich schließlich Palmyra verließen, war Tranio immer noch in Haft, aber später hörte ich, daß man ihn entlassen hatte. Was danach mit ihm geschah, weiß ich nicht. Congrio wurde ein berühmter römischer Possenreißer. Wir sahen uns viele seiner Auftritte an, trotz der harschen Kritiker im Balbustheater, die meinten, die Späße des großen Congrio seien doch reichlich veraltet, und jemand sollte ihm mal eine Schriftrolle mit etwas moderneren Witzen zustecken.
Auch das Leben einiger aus der Truppe sollte sich ändern. Als Musa und ich aus der Arena gekommen waren, hatte Philocrates mit schmerzverzerrtem, blutverkrustetem Gesicht am Boden gesessen und auf einen Knocheneinrichter gewartet. Es sah aus, als wäre sein Schlüsselbein zertrümmert. Außerdem hatte er sich bei dem Fall die Nase und wahrscheinlich auch das Jochbein gebrochen. Nie wieder würde er den feschen jugendlichen Helden spielen. Ich sprach ihm Mut zu: »Machen Sie sich nichts daraus, Philocrates. Manche Frauen sind ganz heiß auf Männer, deren Gesicht vom Leben gezeichnet ist.« Man muß immer nett sein.
Nachdem sie für Grumio jede Hoffnung ausgeschlossen hatte, kam Thalia herüber, um beim Aufwischen der Blutstropfen dieses anderen Opfers zu helfen; ich schwöre, daß ich hörte, wie sie Philocrates sein komisches Muli abzuschwatzen versuchte. Das Vieh würde nach Thalias Heimkehr regelmäßig in Neros Circus Leute umschmeißen.
Auch ich kam kurzfristig in Schwierigkeiten. Während Musa und ich noch aneinandergeklammert nach Luft schnappten, schimpfte eine vertraute Stimme wütend auf mich ein: »Wenn du dich wirklich umbringen willst, Didius Falco, warum läßt du dich dann nicht von einem Mistkarren überfahren wie jeder andere auch? Warum mußt du versuchen, vor zweitausend Fremden ins Gras zu beißen? Und warum muß ich dabei zuschauen?«
Zauberei. Nichts machte mich glücklicher, als von Helena ausgezankt zu werden. Es lenkte mich von allem anderen ab.
»Du könntest ja Karten für den Kampf verkaufen und damit mein Begräbnis finanzieren …«
Sie knurrte und zog mir das Geisterkostüm über den Kopf, damit ich freier atmen konnte. Aber es war eine sanfte Hand, die mir mit ihrer eigenen weißen Stola den Schweiß vom Gesicht wischte.
Dann wurden wir von der Familie Habib überfallen. Sie waren von ihren Sitzplätzen herbeigestürzt, um uns zu sagen, wie sehr sie den Abend genossen hätten – und Helenas schlaksige Begleiterin eindringlich zu mustern. Das nun Folgende überließ ich den Frauen. Helena und Thalia mußten alles im voraus geplant haben, und als Helena sie mit hinauf ins Tribunal nahm, wußte Sophrona offenbar Bescheid und machte mit.
Helena drückte das Mädchen an sich und wandte sich dann fast weinend vor Dankbarkeit an die Familie Habib. »Oh, ich danke Ihnen, daß Sie sich um sie gekümmert haben – ich habe überall nach dem unartigen kleinen Ding gesucht! Aber jetzt habe ich sie wiedergefunden und kann sie mit zurück nach Rom und dem ihr angemessenen Leben nehmen. Sie haben bestimmt erkannt, daß das Kind aus guter Familie stammt. So eine talentierte Musikerin, obwohl es natürlich ungezogen von ihr war, wegzulaufen, damit sie im Theater auftreten kann. Aber was soll man machen. Schließlich spielt sie das Instrument der Kaiser …«
Ich erstickte
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