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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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eine steile, gewundene Steintreppe hinunter und fand mich in einem abgelegenen Teil des Wadis wieder. Überwuchert von Oleander und Tulpen, ließ mich die hier herrschende friedliche Stille meine Verfolgungsjagd beinahe aufgeben. Aber ich hasse Mord. Daher lief ich weiter. Der Pfad führte zu einem hübschen Tempel: zwei freistehende Säulen, flankiert von Pilastern, dahinter ein Schrein, wie eine Höhle in den Berg hineingehauen. Vom Portikus führten breite Stufen in einen ausgedörrten Garten. Dort entdeckte ich einen älteren nabatäischen Priester und einen jüngeren Mann, ebenfalls ein Priester. Ich hatte den Eindruck, daß sie gerade aus dem Tempelheiligtum gekommen waren. Beide blickten ins Tal.
    Bei meiner Ankunft wandten sie sich statt dessen mit offenen Mündern mir zu. Zuerst automatisch auf Latein, dann in sorgfältigem Griechisch fragte ich den Älteren, ob vor kurzem jemand vorbeigelaufen sei. Er starrte mich nur an. Mich in dem hiesigen arabischen Dialekt auszudrücken, war mir nicht gegeben. Plötzlich redete der Jüngere auf ihn ein, als würde er übersetzen. Ich erklärte knapp, daß jemand an der Opferstätte gestorben und es offenbar kein Unfall gewesen sei. Auch das wurde übermittelt, ohne Reaktion. Ungeduldig stapfte ich wieder los. Der ältere Priester sagte etwas; der jüngere lief aus dem Garten und ging neben mir her. Er schwieg, aber ich akzeptierte seine Gesellschaft. Beim Umdrehen sah ich, daß der Ältere zum Opferplatz hinaufstieg, wohl um sich selbst ein Bild zu machen.
    Mein neuer Verbündeter hatte die dunkle Haut der Wüstenbewohner und durchdringende Augen. Er trug eine lange weiße Tunika, die um seine Knöchel flatterte, bewegte sich aber trotzdem mit erstaunlicher Geschwindigkeit. Obwohl er kein Wort sagte, spürte ich, daß wir dasselbe Ziel hatten. Wir waren einander nicht mehr völlig fremd und eilten den Weg hinunter bis zur Stadtmauer, weit drüben vor den westlichen Stadtteilen, wo die meisten Behausungen lagen.
    Unterwegs waren wir niemandem begegnet. Nachdem wir das Stadttor durchschritten hatten, wimmelte es plötzlich vor Menschen, und wir hätten den Gesuchten unmöglich von ihnen unterscheiden können. Seine Kleider mußten inzwischen trocken sein, genau wie meine. Ich konnte offenbar nichts weiter tun. Aber der junge Mann neben mir ging weiter, und ich fühlte mich von ihm mitgezogen.
    Wir waren in der Nähe der öffentlichen Gebäude herausgekommen. Vorbei an einer Reihe beeindruckender Häuser aus kundig behauenen Sandsteinblöcken erreichten wir den Handwerkermarkt an der Hauptstraße. Die kiesbestreute Straße schrie förmlich nach anständiger Pflasterung und Kolonnaden, besaß aber trotzdem ihre eigene exotische Pracht. Hier lagen die großen, gedeckten Märkte zu unserer Linken, dazwischen ein Platz mit einzelnen Ständen und Pfosten zum Anbinden der Tiere. Der Hauptwasserlauf folgte dieser Straße etwa zehn Fuß tiefer. Kleine Treppchen führten hinab, und kunstvolle Brücken führten zu wichtigen Gebäuden auf der anderen Seite – dem königlichen Palast und einem der monumentalen Tempel, die diesen Teil der Stadt beherrschten. Die Bauten lagen auf breiten Terrassen und waren über grandiose Treppenaufgänge erreichbar.
    Zielstrebig steuerten wir an ihnen vorbei das Eingangstor zum Tempelbezirk an. Nun befanden wir uns im Herzen der Stadt. Die Straße säumten beeindruckende Tempel; der größte allerdings lag vor uns, innerhalb des heiligen Bezirks. Wir erreichten und überquerten eine kleine Piazza und durchschritten dann den hohen Torbogen, dessen gewaltige Türflügel zurückgeklappt waren. Direkt dahinter befanden sich Verwaltungsgebäude. Mein junger Priester blieb stehen und sprach mit jemandem in einem Eingang, eilte dann aber weiter und winkte mir, ihm zu folgen. Wir hatten ein langes, offenes Gelände betreten, das zum Wasserlauf hin von einer Mauer begrenzt wurde – ein für den Osten typisches Tempelheiligtum. Entlang der Mauer lockten Steinbänke. Am hinteren Ende stand ein Freiluftaltar auf einem überhöhten Podest. Er befand sich vor dem Haupttempel von Petra, der Dushara, dem Berggott, geweiht war.
    Das Ganze war von enormer Größe. Über breite Marmorstufen erreichten wir eine marmorverkleidete Plattform. Vier schlichte, aber massive Säulen bildeten einen Portikus, der unter einem recht regelmäßigen Fries von Rosetten und Triglyphen willkommenen Schatten spendete. Die Griechen waren offenbar, vermutlich auf Einladung, bis nach

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