Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
Petra gekommen. Sie hatten in der Steinmetzarbeit ihre Spuren hinterlassen, allerdings wesentlich weniger deutlich als in der römischen Kunst.
    Wir betraten eine geräumige Vorhalle, in der durch hohe Fenster Licht auf kunstvolle Stuckarbeiten und Fresken mit graphischen Mustern fiel. Ein offenbar sehr hochstehender Priester hatte uns bemerkt. Mein Begleiter trottete auf seine hartnäckige Weise auf ihn zu. Mir wären etwa zwei Sekunden geblieben, mich umzudrehen und wegzurennen. Ich hatte nichts Unrechtes getan, deshalb blieb ich stehen. Schweiß rann mir über den Rücken. Verschwitzt und erschöpft, fiel es mir schwer, meine übliche Selbstsicherheit an den Tag zu legen. Ich fühlte mich fern von Zuhause, in einem Land, wo Unschuld allein als Verteidigung vielleicht nicht ausreichte.
    Unsere Schreckensnachricht wurde übermittelt. Es folgte ein rasch anschwellendes Stimmengemurmel, wie das immer so ist, wenn an einem öffentlichen Ort unerwartet ein unnatürlicher Todesfall verkündet wird. Das Sakrileg hatte einen Schock ausgelöst. Der ranghohe Funktionär zuckte zusammen, als sei es das alarmierendste Ereignis der letzten sechs Monate. Er brabbelte aufgeregt im örtlichen Dialekt und schien dann eine Entscheidung zu treffen; er verkündete irgend etwas Formelles und machte drängende Gesten.
    Mein junger Begleiter drehte sich zu mir um und sprach mich zum ersten Mal an: »Sie müssen Bericht erstatten!«
    »Selbstverständlich«, erwiderte ich in meiner Rolle als ehrbarer Reisender. »Wem denn?«
    »Er wird kommen.« Für empfindsame Ohren hatte das einen drohenden Klang.
    Ich erkannte meine Lage. Eine äußerst einflußreiche Persönlichkeit würde sich in Kürze für meine Geschichte interessieren. Ich hatte gehofft, Petra unauffällig auskundschaften zu können. Als Römer, der kein akkreditierter Händler war, würde sich meine Gegenwart hier nur schwer erklären lassen. Etwas sagte mir, daß Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, nicht ratsam war. Aber dafür war es jetzt zu spät.
     
    Wir mußten warten.
    In der Wüste fördern extremes Klima und große Entfernungen eine gemächliche Einstellung. Eine rasche Klärung ungewöhnlicher Vorkommnisse galt als schlechtes Benehmen. Die Leute wollten Neuigkeiten auskosten.
    Ich wurde wieder nach draußen geführt. Dusharas Tempel war kein Aufenthaltsort für einen neugierigen Fremden. Sehr zu meinem Bedauern, denn ich hätte gern das phantastische Innere mit den erstaunlichen Ornamenten genossen, das schummrige innere Heiligtum hinter dem hohen Bogen erforscht und wäre zu den faszinierenden, weiter oben liegenden Balkonen hinaufgeklettert. Aber nach einem raschen Blick auf einen großen, dunklen Gott, der mit geballten Fäusten zu seinen Bergen hinaussah, wurde ich eilig hinauskomplimentiert.
    Ich begriff sofort, daß die Warterei auf den großen Unbekannten eine harte Prüfung werden würde. Wo wohl Helena steckte? Ihr eine Botschaft zukommen zu lassen, war unmöglich. Unsere Adresse würde schwer zu beschreiben sein, und ich hatte nichts, worauf ich schreiben konnte. Hätte ich doch nur die Schreibtafel des Toten mitgenommen; der Mann hatte jetzt sowieso keine Verwendung mehr dafür.
    Der junge Priester war zu meinem offiziellen Aufpasser benannt worden. Das machte ihn aber auch nicht gesprächiger. Er und ich saßen auf einer der Bänke an der Mauer des Tempelbezirks und verschiedene Bekannte näherten sich ihm, die mich geflissentlich übersahen. Allmählich wurde ich unruhig. Ich hatte das starke Gefühl, in eine Situation hineinzurutschen, die ich ungemein bedauern würde. Schließlich fand ich mich damit ab, daß es ein verlorener Tag mit Problemen am Ende sein würde. Außerdem war klar, daß mir mein Mittagsmahl entgehen würde – etwas, das mir äußerst zuwider war.
    Um meinen trüben Gedanken zu entfliehen, bestand ich auf einer Unterhaltung mit dem Priester. »Haben Sie den Flüchtenden gesehen? Wie sah er aus?« fragte ich ihn mit fester Stimme auf griechisch.
    So direkt angesprochen, konnte er sich nur schwer weigern zu antworten. »Ein Mann.«
    »Alt? Jung? Mein Alter?«
    »Das habe ich nicht gesehen.«
    »Sie konnten sein Gesicht nicht erkennen? Oder haben Sie ihn nur von hinten gesehen? Hatte er volles Haar? Konnten Sie die Farbe erkennen?«
    »Das habe ich nicht gesehen.«
    »Sie sind mir keine große Hilfe«, machte ich ihm klar.
    Ärgerlich und frustriert verfiel ich in Schweigen. Als ich bereits aufgegeben hatte, erklärte mein Begleiter in

Weitere Kostenlose Bücher