Letzter Akt in Palmyra
uns knirschend und knarrend auf den Weg. Zumindest hatte Gerasa den Ruf, eine wohlhabende Stadt zu sein; wenn die Leute Geld hatten, suchten sie vielleicht nach Möglichkeiten, es auszugeben. (Doch vermutlich eilte uns die Nachricht, daß unsere Darstellung des Stricks zäh wie altes Schuhleder war, längst voraus.)
So oder so deutete alles darauf hin, daß ein Gespräch mit Byrria dringend angesagt war. Der tote Stückeschreiber war scharf auf sie gewesen, und den meisten unserer männlichen Verdächtigen schien es nicht anders zu gehen. Und überhaupt: Wenn Helena mit dem männlichen Star der Truppe flirten konnte, war es mir ja wohl erlaubt, ein Schwätzchen mit seinem hinreißenden weiblichen Gegenpart zu halten.
Das ließ sich ganz leicht arrangieren. Ein paar Neugierige hatten das Geschäker meiner Liebsten mit Philocrates mitbekommen; inzwischen wußten alle davon. Ich tat so, als würde ich mich wegen ihres kleinwüchsigen Bewunderers mit ihr streiten, sprang von unserem Karren, setzte mich auf einen Stein, stützte das Kinn in die Hand und schaute trübselig. Musa war bei Helena geblieben, zu ihrem beiderseitigen Schutz. Ich wollte keinen von ihnen allzu lange allein lassen.
Langsam paradierte die müde Truppe an mir vorbei; nackte Füße baumelten über Wagenränder, Gepäckkörbe quollen über und hier und da wurde ein schlechter Witz gerissen. Die Kamelbesitzer führten ihre Tiere größtenteils zu Fuß; falls Sie je auf einem Kamel gesessen haben, wissen Sie, warum. Die Leute auf den Wagen hatten es kaum bequemer. Einige der Bühnenarbeiter hatten es aufgegeben, sich die Rippen auf den schwankenden Karren quetschen zu lassen, und gingen ebenfalls zu Fuß. Alle trugen Knüppel oder lange Messer im Gürtel, falls wir von Wüstenräubern überfallen werden sollten. Orchestermitglieder setzten mit lautem Scheppern, Rasseln und Pfeifen ihre Instrumente ein – eine noch wirksamere Abschreckung für umherstreifende Diebe.
Byrria lenkte ihren eigenen Karren. Das war bezeichnend für sie. Sich und ihre Habe teilte sie mit keinem und verließ sich auf niemanden. Als sie näher kam, stand ich auf und winkte ihr zu. Sie wollte mich nicht mitnehmen, fuhr aber fast am Ende der Karawane und mußte einsehen, daß ich sonst vielleicht zurückgelassen würde. Alle waren überzeugt davon, keinen Bühnenautor zu brauchen, wollten aber ungern auf eine Zielscheibe ihres Spottes verzichten.
»Kopf hoch!« rief ich, als ich mit einer geschmeidigen Körperdrehung und charmantem Lächeln zu ihr auf den Wagen sprang. »Es passiert schon nichts!«
Sie funkelte mich weiter finster an. »Hören Sie bloß mit dem abgedroschenen Kram auf, Falco.«
»Tut mir leid. Aber die alten Sprüche sind die besten …«
»Diana der Epheser! Halten Sie bloß die Klappe, Sie Angeber.«
Sowas passiert Philocrates nie , schoß es mir durch den Kopf – da fiel mir ein, daß es ihm durchaus passiert war.
Sie war zwanzig, vielleicht sogar jünger. Vermutlich stand sie seit acht oder neun Jahren auf der Bühne; Schauspielerei ist einer der Berufe, bei denen Mädchen mit gutem Aussehen früh anfangen. Würde sie aus anderen Verhältnissen stammen, wäre sie alt genug, Vestalin zu werden. Zwischen einer Priesterin und einer Schauspielerin besteht, abgesehen vom öffentlichen Status, eigentlich kein großer Unterschied. Sie sind beide damit beschäftigt, das Publikum mit einer rituellen Darbietung hinters Licht zu führen, der Öffentlichkeit das Unglaubliche glaubhaft zu machen.
Ich gab mir alle Mühe, den abgehärteten Profi herauszukehren, aber Byrrias Aussehen war schwer zu übersehen. Sie hatte ein dreieckiges Gesicht mit den grünen, weit auseinanderliegenden Augen einer ägyptischen Katze über hohen Wangenknochen und einer schmalen, perfekt geformten Nase. Ihr Mund hatte ein seltsames, einseitiges Zucken, das ihr etwas Ironisches, Weltverdrossenes gab. Ihre Figur war so ansehnlich wie ihr Gesicht, schlank, kurvig und mit der Andeutung verborgener Möglichkeiten. Um das Ganze abzurunden, hatte sie die Angewohnheit, ihr warmes braunes Haar in aufregender Weise mit ein paar bronzenen Haarnadeln so aufzustecken, daß es nicht nur ungewöhnlich aussah, sondern auch dort blieb und den Blick auf einen aufreizenden Hals und Nacken freigab.
Ihre Stimme wirkte zu tief für eine so adrette kleine Person; sie hatte eine Rauhheit, die zusammen mit ihrer erfahrenen Art völlig verwirrend war. Byrria vermittelte den Eindruck, alle Bewerber auf Abstand
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