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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Mittagshitze ausruhen konnten. Byrria zügelte ihren Esel und schubste mich dann buchstäblich vom Karren.
     
    Ich schlenderte zu meinem Wagen zurück.
    »Falco!« Musa hatte seine Kopfbedeckung auf arabische Art um den unteren Teil seines Gesichts geschlungen; er sah schlank, kühl und viel gescheiter aus als ich in meiner kurzen römischen Tunika, mit Sonnenbrand an den nackten Armen und Beinen und Schweiß, der mir in Strömen unter dem warmen Stoff den Rücken hinunter lief. Byrrias Zauber mußte auch auf ihn gewirkt haben, denn zum ersten Mal schien er wirklich neugierig. »Haben Sie von der Schönen etwas erfahren?«
    Ich wühlte in unserem Proviantkorb. »Nicht viel.«
    »Wie bist du denn mit ihr zurechtgekommen?« fragte Helena unschuldig.
    »Die Frau ist unverbesserlich. Ich mußte ihre Avancen abwehren, damit der Esel nicht durchging.«
    »Das ist eben das Problem, wenn man so geistreich und gutaussehend ist«, gab Helena zurück. Musa bekam einen veritablen Kicheranfall. Helena widmete sich, nachdem sie mich in ihrer üblichen lässigen Art zurechtgestaucht hatte, wieder der sehr viel wichtigeren Aufgabe, den Staub von ihrer rechten Sandale zu entfernen.
    Ich ignorierte beide und blickte, Dattelkerne spuckend, in die Ferne wie ein Mann, der über etwas äußerst Faszinierendes nachzudenken hat.

XXV
    Gerasa: auch »Antiochia am Chrysorhoas« genannt.
    Antiochia stand in dem Ruf, eine lebenslustige Stadt zu sein. Mein Bruder Festus, auf dessen Lästermaul man sich in solchen Dingen verlassen konnte, hatte mir erzählt, daß es unter Legionären berühmt war für die ständigen Ausschweifungen seiner fröhlichen Garnison. Das Leben bestand dort aus Festivitäten; die Stadt hallte wider von Gesang und dem Klang von Harfen und Trommeln … Ich hoffte, Antiochia eines Tages besuchen zu können. Aber es lag weit im Norden, und so mußte ich mich vorläufig mit seiner Namensschwester zufriedengeben. Das Antiochia am Chrysorhoas hatte viel zu bieten, obwohl mir persönlich wenig Ausschweifungen geboten wurden, mit oder ohne Gesang.
    Gerasa hatte sich von einer kleinen, mauerumschlossenen Stadt auf einer Anhöhe zu einem größeren Vorortzentrum entwickelt, durch das der Chrysorhoas floß, der Goldfluß, mehr ein Flüßchen, verglichen mit dem stattlichen Tiber, kaum ausreichend für die drei Elritzenfischer und ein paar Frauen, die dreckige Wäsche auf die Steine klatschten. Von den Juden während des Aufstandes geplündert – und dann noch einmal von den Römern, weil einer der Anführer des jüdischen Aufstandes aus Gerasa stammte –, hatte die Stadt erst kürzlich eine neue Stadtmauer bekommen, die mit einer Reihe von Wachtürmen gekrönt war. Zwei davon beschützten das Wassertor, durch das der Goldfluß in einen künstlich angelegten Kanal floß, der das Wasser unter Druck auf einen zehn Fuß hohen Wasserfall lenkte. Während wir darauf warteten, die Stadt betreten zu dürfen, sahen und hörten wir die Kaskaden rechts neben uns niederrauschen.
    »Das sieht mir nach einem prächtigen Ort für Unfälle aus!« warnte ich jeden, der es hören wollte. Nur Musa nahm davon Notiz; er nickte mit seiner üblichen Ernsthaftigkeit. Er wirkte wie ein Fanatiker, der um der Wahrheit willen freiwillig bereit ist, neben dem Kanal stehend darauf zu warten, daß unser Mörder ihn in den reißenden Strom schubst.
    Wir wurden am Südtor aufgehalten und mußten auf die Freigabe durch den Zoll warten. Gerasa lag günstigerweise an der Kreuzung zweier großer Handelswege. Sein Einkommen aus den Abgaben der Karawanen war so hoch, daß es die doppelte Plünderung bequem hatte überstehen können. Für die Plünderer mußte es eine Menge zu holen gegeben haben, trotzdem war dann, während der Pax Romana, noch genügend Geld für den Wiederaufbau vorhanden. Laut einem Bebauungsplan, den wir später auf einem freigelegten Gelände, das einmal der wichtigste Verkehrsknotenpunkt werden sollte, angeschlagen sahen, befand sich Gerasa mitten in einem grandiosen Aufbauprogramm, das vor zwanzig Jahren begonnen hatte und noch mehrere Dekaden dauern sollte. Kinder, die hier aufwuchsen, kannten bestimmte Straßen nur halb abgesperrt für die Arbeit der Steinmetze. Einige Schreine auf der Akropolis wurden kosmetisch bearbeitet; während wir am Stadttor warteten, hörten wir eifriges Hämmern am Heiligtum des Zeus; Vorortvillen wurden von frohgemuten Bauunternehmern in Windeseile und vollkommen identisch hochgezogen; Vermessungslatten deuteten

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