Letzter Akt in Palmyra
gleichen Atemzug fügte sie hinzu: »Ging es um ein Mädchen?«
»Genau.« Es war ihm spürbar unangenehm. »Wir wurden beide von der gleichen Frau abgewiesen. Wobei ich allerdings wesentlich besser abschnitt.« Vermutlich war das nur geprahlt, um sich selbst zu trösten. Helena, die sich mit Arroganz auskannte, bohrte nicht weiter nach.
»Das glaube ich Ihnen gern«, schmeichelte sie ihm statt dessen mitfühlend. »Ich werde Sie nicht fragen, um wen es sich handelte.«
»Byrria, wenn Sie es unbedingt wissen müssen«, platzte er gegen seinen Willen heraus. Das arme Bübchen war hilflos; Helena hatte mühelos den Übergang vom Verführungsobjekt zu seiner vertrautesten Freundin geschafft.
»Das tut mir leid. Ich bezweifle, daß es persönlich gemeint war, Philocrates. Wie ich hörte, ist sie äußerst ehrgeizig und lehnt alle Annäherungsversuche von Männern ab. Sie sind bestimmt mit der Zurückweisung fertig geworden, aber wie steht’s mit Heliodorus?«
»Kein Gefühl für Anstand.«
»Er hat sie weiter belästigt? Was sie natürlich noch bockiger gemacht hat.«
»Das will ich hoffen«, grummelte er. »Schließlich war da noch was erheblich Besseres im Angebot.«
»Mit Sicherheit! Wenn Sie ihr die Ehre gegeben hatten … Also bestand zwischen Ihnen und dem Schreiber eine ständige Rivalität. Haßten Sie ihn aber genug, um ihn umzubringen?«
»Ihr Götter, nein! Wir hatten doch nur Krach wegen eines Mädchens.«
»Na, klar! Sah er es auch so?«
»Er nahm sich das vermutlich mehr zu Herzen. So dämlich, wie der war.«
»Haben Sie sich je mit Heliodorus angelegt, weil er Byrria nicht in Ruhe ließ?«
»Warum sollte ich?« Philocrates’ Erstaunen schien echt. »Sie hat mich abgewiesen. Was sie danach tat oder nicht tat, war mir völlig schnuppe.«
»Haben andere bemerkt, daß er sich ihr aufdrängte?«
»Anzunehmen. Sie hat sich nie darüber beschwert; das hätte alles nur noch schlimmer gemacht. Aber wir wußten alle, daß er sie weiter unter Druck setzte.«
»Der Mann hatte also kein Benehmen?«
»Zumindest hatte er keinen Stolz.«
»Und Byrria wich ihm ständig aus. Schrieb er schlechte Texte für sie?«
»Grauenvolle.«
»Wissen Sie, ob Byrria noch andere Verehrer hat?«
»Keine Ahnung. Ich habe nichts bemerkt.«
»Nein«, stimmte Helena nachdenklich zu. »Das hätte ich auch nicht erwartet … Wo waren Sie, als Heliodorus seinen tödlichen Spaziergang zum Hohen Opferplatz unternahm?«
»Am letzten Nachmittag in Petra? Ich hatte meine Sachen gepackt und nützte die freie Zeit aus, bevor wir abreisten.«
»Was haben Sie gemacht?«
Helena war mit offenen Augen in die Falle getappt. Er antwortete mit triumphierender Rachsucht: »Ich war oben in den Felsengräbern mit der hübschen Frau eines Weihrauchhändlers – und ich hab sie gevögelt, daß ihr Hören und Sehen verging!«
»Wie konnte ich nur so eine dumme Frage stellen!« brachte mein Mädchen hervor, und wurde vermutlich rot. »Ich wünschte, ich hätte Sie damals schon gekannt. Dann hätte ich Sie bitten können, die Dame zu fragen, was der angemessene Preis für Weihrauchharz ist.«
Entweder kam ihre Courage oder ihr Sinn für Humor endlich bei ihm an. Ich hörte Philocrates kurz auflachen, dann folgte eine plötzliche Bewegung, und seine Stimme kam aus einer anderen Höhe; er mußte aufgestanden sein. Der Ton hatte sich verändert. Dieses eine Mal war seine Bewunderung ungekünstelt und uneigennützig: »Sie sind unglaublich. Wenn dieser Mistkerl Falco Sie abserviert, weinen Sie nicht zu lange; kommen Sie lieber zu mir und lassen Sie sich trösten.«
Helena antwortete nicht, und seine kleinen Füße in den teuren Stiefeln stapften knirschend über den steinigen Weg davon.
Ich wartete eine Zeitlang ab, dann trat ich vors Zelt und reckte mich.
»Ah, unser wohltönender Barde ist erwacht!« neckte mich die Liebe meines Lebens. Ihre ruhigen Augen betrachteten mich unter dem tiefen Schatten der weichen Krempe eines Sonnenhutes heraus.
»Paß nur auf, sonst kriegst du einen ungemein zotigen Pentameter zu hören.«
Helena ruhte zurückgelehnt in einem stoffbespannten Klappstuhl und hatte die Füße auf einen Ballen gelegt. Wir hatten bereits den wichtigsten Wüstentrick gelernt, unser Zelt wenn möglich stets im Schatten eines Baumes aufzuschlagen; Helena saß im einzigen noch kühlen Eck. Philocrates mußte wie eine Meeräsche gegrillt worden sein, als er in der prallen Sonne zu ihren Füßen lag. Der Gedanke befriedigte mich
Weitere Kostenlose Bücher