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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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sehr.
    »Du hast es dir ja hübsch bequem gemacht. Hattest du einen angenehmen Nachmittag?«
    »Einen sehr ruhigen«, sagte Helena.
    »Hat dich niemand belästigt?«
    »Keiner, mit dem ich nicht fertig geworden wäre …« Ihre Stimme senkte sich ein wenig. »Hallo, Marcus.« Sie hatte eine Art, meinen Namen zu sagen, die schon fast unerträglich intim war.
    »Hallo, schöne Frau.« Ich blieb hart. Keine weiblichen Tricks würden meinen Zorn untergraben. Dann lächelte sie mich so sanft an, daß mein Widerstand dahinschmolz.
    Inzwischen war es später Nachmittag. Die sengende Sonne senkte sich dem Horizont zu und verlor an Kraft. Als ich den Platz des Schauspielers zu ihren Füßen einnahm, war es fast angenehm, obwohl der Boden steinig und noch ziemlich heiß war.
    Sie wußte, daß ich sie belauscht hatte. Ich tat so, als würde ich sie kritisch mustern. Trotz meiner Bemühung, mich gleichgültig zu geben, spürte ich, wie sich beim Gedanken an Philocrates’ Blicke und seine anzüglichen Bemerkungen eine Sehne in meinem Hals anspannte. »Ich kann das Kleid nicht leiden. Weiß macht dich furchtbar blaß.«
    Helena wackelte mit den Zehen und erwiderte friedlich: »Wenn ich für jemand bestimmten attraktiv sein will, ziehe ich mich um.« Das Glitzern in ihren Augen barg eine private Botschaft an mich.
    Ich grinste. Jeder Mann mit Geschmack mochte Helena in Blau oder Rot. Ich war ein Mann mit Geschmack, der mit seiner Ansicht nicht hinter dem Berg hielt. »Bemüh dich nicht extra. Zieh einfach das weiße aus.« Wie ein treuer Hund blieb ich zu ihren Füßen liegen. Sie beugte sich hinunter und zauste mir die unverzeihlichen Locken, während ich nachdenklich zu ihr hochschaute. Mit leiser Stimme meinte ich: »Er war absolut glücklich damit, in den Kolonnaden rumzulungern und nach einem Techtelmechtel mit einer Flötenspielerin Ausschau zu halten. Du hättest ihm das nicht antun müssen.«
    Helena hob die Augenbraue. Ich meinte, sie leicht erröten zu sehen. »Hast du was dagegen, daß ich flirte, Marcus?« Wir wußten beide, daß mir das nicht zukam. Heuchelei war nie mein Stil gewesen.
    »Flirte, mit wem du willst, solange du mit dem Resultat fertig wirst. Ich meinte nur, du hättest den armen Kolonnadenspanner nicht in dich verliebt machen sollen.«
    Helena erkannte ihren Einfluß nicht oder wollte ihn nicht wahrhaben. Fünf Jahre Ehe mit einem desinteressierten Schnösel in Senatorentoga hatten einen Großteil ihres Selbstvertrauens zerstört. Zwei Jahre ständiger Bewunderung durch mich hatten es bisher nicht wiederbeleben können. Sie schüttelte den Kopf. »Sei doch nicht so romantisch, Marcus.«
    »Nein?« Teilweise war ich auf seiner Seite. »Zufällig weiß ich nur, wie es ist, wenn einen das Mädchen, das man in Gedanken gerade entkleidet, plötzlich mit Augen anschaut, die bis ins innerste Mark gehen können.« Womit ihre Augen gemeint waren. Statt in diesem Moment diese Augen anzusehen, wechselte ich lieber ein bißchen schnoddrig das Thema. »Das auf deinem Schoß ist doch mit Sicherheit keine Platon-Schriftrolle.«
    »Nein. Es ist die Sammlung zotiger Geschichten, die ich in der Lade mit den Stücken gefunden habe.«
    »Was soll das sein – Notizen von Heliodorus?«
    »Ich glaube nicht, Marcus. Es scheinen verschiedene Handschriften zu sein, aber keine sieht aus wie sein grausiges Gekritzel.« Ich hatte mich über sein meist unleserliches Geschmiere auf den Stücken beschwert. Helena fuhr fort: »An manchen Stellen ist die Tinte verblaßt; das Ganze sieht ziemlich alt aus. Außerdem sagen alle, Heliodorus hätte keinen Sinn für Humor gehabt, und die Geschichten hier sind sehr komisch. Wenn du willst«, bot sie verführerisch an, »lese ich dir ein paar der derberen vor …«
    Der Schauspieler hatte recht. Mit ernsten Mädchen, die wie Vestalinnen aussehen, kann man viel Spaß haben – vorausgesetzt, man kann sie davon überzeugen, daß man selbst es ist, mit dem sie den Spaß haben wollen.

XXIV
    Der Strick lief gut. Wir setzten eine zweite Vorstellung an, und niemand kam. Wir verließen die Stadt.
    Unser nächstes Ziel war Gerasa, vierzig Meilen nordwärts. Zwei Tage mit vernünftigen Transportmitteln, aber mit unserem Haufen schäbiger Kamele und den vollbeladenen Wagen wahrscheinlich doppelt so lange. Nachdem wir Philadelphia als kulturloses Kaff und Plautus als unkomischen Soldschreiber verflucht hatten, wandten wir der Stadt den Rücken zu, stopften das Stück ganz unten in die Kiste und machten

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