Letzter Akt in Palmyra
nickte er. »Genau. Die meisten Zyniker sind geistreich, und alle Spaßmacher sind Zyniker. Wer sieht schon den Unterschied, wenn er uns auf der Straße begegnet.«
»Ich, wie ich hoffe! Ich bin ein aufrechter Römer. Um einem Philosophen zu entkommen, nehme ich jeden Umweg in Kauf.«
Er belehrte mich eines Besseren. »Keine Bange, Sie werden das nicht tun müssen. Kein Possenreißer kann das heute noch. Die Müßiggänger, die am Wasserturm rumlungern und Verleumdungen erfinden, würden mich wie einen verlausten Bettler aus der Stadt jagen. Heutzutage will jeder selbst komisch sein; Leuten wie mir bleibt nichts anderes übrig, als ihnen zu schmeicheln und sie mit Material zu versorgen. Das ist nichts für mich; ich bin kein Ja-Sager. Aus der Dummheit anderer Leute Kapital zu schlagen, macht mich krank.« Grumios Stimme war rauh geworden. Er verabscheute die Amateurrivalen, die er da verhöhnte, wirklich; eine tiefempfundene Klage über den Niedergang seines Gewerbes. (Dabei fiel mir der überzogene Glaube an seine eigene Brillanz auf; Clowns sind ein arrogantes Pack.) »Außerdem«, beschwerte er sich, »gibt es keine Moral mehr. Der neue ›Humor‹, wenn man es denn so nennen kann, ist nichts als bösartiger Klatsch. Statt etwas richtig aufs Korn zu nehmen, reicht es heute schon, irgendeine Zote zu wiederholen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, ob sie stimmt. Boshafte Lügen aufzutischen, gilt als durchaus ehrbar. Die heutigen ›Narren‹ sind regelrecht öffentliche Ärgernisse.«
Ähnliches wird auch Ermittlern oft vorgeworfen. Auch wir gelten als unmoralische Verkäufer heimlich belauschter Abscheulichkeiten, als Alleswisser aus der Gosse, die frei erfinden, wenn sie keine harten Fakten liefern können; als Selbstsüchtige und Aufrührer. Es gilt sogar als passende Beleidigung, wenn man uns Komödianten schimpft …
Abrupt sprang Grumio auf. Er war von einer Ruhelosigkeit, die ich vorher übersehen hatte; vielleicht hatte ich sie durch unser Gespräch über seine Arbeit ausgelöst. Sowas deprimiert die meisten Leute.
Einen Moment lang meinte ich, ihn verärgert oder verstimmt zu haben. Doch dann winkte er mir freundlich zu und schlenderte davon.
»Was war das denn?« fragte Helena neugierig, wie gewöhnlich plötzlich da, wenn ich angenommen hatte, sie sei mit ihren Dingen beschäftigt.
»Nur eine geschichtliche Lektion über Possenreißer und Spaßmacher.«
Sie lächelte. Helena Justina konnte mit einem nachdenklichen Lächeln mehr Fragen aufwerfen als eine tote Maus in einem Eimer Milch. »Oh, ein Männergespräch!« bemerkte sie.
Ich stützte das Kinn in die Hand und sah sie an. Sie hatte vermutlich zugehört und (schließlich war sie Helena) sich ebenfalls ihre Gedanken gemacht. Wir besaßen beide einen Instinkt für bestimmte Dinge. Mich plagte ein Gefühl, das sie vielleicht auch empfand: Irgendwann während der Unterhaltung war ein Thema angesprochen worden, daß sich als wichtig erweisen mochte.
XXVII
Zu unser aller Überraschung kam Chremes nach kaum einer Stunde zurück und verkündete, er habe uns das Theater gesichert, und das schon für den nächsten Abend. Offensichtlich hatten die Gerasener kein Gefühl für Fairplay . Chremes und Davos hatten gerade bei dem Disponenten vorsprechen wollen, als der eine Absage erhielt, und so wurde uns für den sprichwörtlichen kleinen Obulus gestattet, uns die Vakanz zu schnappen, egal, wer sonst noch wartend rumsaß.
»Die machen sich’s hier leicht«, meinte Chremes. »Der Kerl war nur daran interessiert, daß wir ihm sein Schmiergeld zahlen.« Er sagte uns, wie hoch die Bestechungssumme war, und einige fanden, Gerasa sofort zu verlassen und Das Schiedsgericht vor einer Nomadenschafherde zu spielen, sei profitabler.
»Hat die andere Truppe deswegen zusammengepackt?«
Chremes war eingeschnappt, weil wir maulten, wo er doch einen Triumph eingesackt hatte. »Nicht laut meiner Information. Das war nur ein schäbiger Wanderzirkus. Sie kamen noch zurecht, als ihr Vorturner vom Trapez fiel und gelähmt war, aber als sich dann auch noch ihr Tanzbär erkältete …«
»Verloren sie die Nerven«, warf Tranio barsch ein. »Genau so könnte es uns gehen, wenn all die Gruppen, die vor uns hier angekommen sind, rauskriegen, daß wir uns vorgedrängelt haben, und uns an den Kragen wollen!«
»Wir zeigen der Stadt etwas Sehenswertes und machen uns dann schnellstens aus dem Staub«, erwiderte Chremes mit einer Lässigkeit, die klarmachte, daß
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