Letzter Akt in Palmyra
die Truppe schon oft in großer Hast verschwunden war.
»Sag das den Gewichthebern vom Chersonesus Taurica!« murmelte Tranio.
Doch wenn Geld winkt, hat’s niemand allzusehr mit der Ethik.
An jenem Abend hatten wir frei. Belebt von der Aussicht, am nächsten Tag Arbeit zu haben, kratzten wir unsere Vorräte zusammen, aßen gemeinsam und gingen dann unserer Wege. Wer Geld hatte, konnte sich eine griechische Tragödie ansehen, die von einer außerordentlich melancholischen Truppe aus Cilicia aufgeführt wurde. Helena und ich waren nicht in der Stimmung dafür. Sie schlenderte davon, um mit den Mädchen vom Orchester zu schwatzen, während ich mich daran machte, ein paar Szenen aus dem Schiedsgericht aufzupolieren, die der große Menander meiner Meinung nach ein bißchen roh gelassen hatte.
Während unseres Aufenthalts gab es einiges zu erledigen, und dies schien mir der richtige Moment dafür. Ich wollte dringend mit Ione, der Tamburinspielerin, sprechen, sah sie aber bei der Gruppe, der sich Helena gerade angeschlossen hatte. Mir wurde klar, daß Helena vermutlich versuchte, ein diskretes Treffen zu arrangieren. Das war mir recht. Wenn Helena das Mädchen zum Reden bringen konnte, würde es billiger werden, als wenn ich Ione auszuquetschen versuchte. Mädchen bestechen sich nicht gegenseitig, um Klatsch und Tratsch zu erfahren, dachte ich mir fröhlich.
Statt dessen wandte ich meine Aufmerksamkeit Thalias verschwundener Künstlerin zu. Chremes hatte sich erfolglos bei dem Theaterdisponenten nach der Wasserorgelspielerin erkundigt. Das setzte meiner Suche in dieser Stadt ein Ende. Denn wenn eine Wasserorgel in der Stadt auftaucht, entgeht das kaum jemandem; abgesehen von der Tatsache, daß sie die Größe eines kleinen Zimmers hat, ist ihr Klang unüberhörbar. Sophrona konnte ich also vergessen, wollte aber die Sache doppelt überprüfen und auf einer Runde über das Forum nachfragen, ob jemand einen Geschäftsmann namens Habib kannte, der nach Rom gereist war.
Musa sagte, er würde mitkommen. Es gab da einen nabatäischen Tempel, den er besuchen wollte. Nach seinem erzwungenen Bad in Bostra wollte ich ihn nicht allein gehen lassen, also taten wir uns zusammen.
Als erstes sahen wir Grumio auf einer Tonne an einer Straßenecke stehen.
»Was ist los, Grumio – haben Sie ein paar alte Witze ausgegraben, die Sie unters Volk bringen wollen?«
Er hatte zwar gerade erst angefangen, aber schon hatte sich eine ansehnliche Menge um ihn herum gesammelt, die respektvoll zu ihm aufschaute. Er grinste. »Dachte, ich seh mal zu, ob ich nicht das Geld wieder reinholen kann, was Chremes für das Theater löhnen mußte.«
Er war gut. Musa und ich sahen eine Weile zu und lachten zusammen mit seinem Publikum. Er jonglierte mit Wurfringen und Bällen und zeigte ein paar wunderbare Zauberkunststücke. Selbst in einer Stadt voller Akrobaten und Magier war sein Talent unübersehbar. Wir wünschten ihm schließlich viel Glück, doch es tat uns leid, ihn zu verlassen. Inzwischen waren sogar noch andere Schauspieler gekommen und hatten sich der faszinierten Menge angeschlossen.
Es war ein herrlicher Abend. Gerasas mildes Klima machte die Stadt überaus angenehm. Musa und ich sahen uns erstmal zufrieden die Sehenswürdigkeiten an, bevor wir uns unserem eigentlichen Vorhaben widmeten. Wir waren in der Stimmung, einen draufzumachen; es ging uns nicht um Orgien, noch nicht mal um Schlägereien, wir genossen einfach ein Gefühl der Befreiung. Wir ließen uns auf ein ruhiges Gläschen nieder. Ich kaufte ein paar Mitbringsel für die Lieben daheim. Wir beäugten die Märkte, die Frauen und die Imbißstände. Wir knufften Esel, probierten das Brunnenwasser, retteten Kinder davor, unter Wagenräder zu kommen, waren höflich zu alten Damen, erfanden Wegbeschreibungen für Leute, die sich verlaufen hatten und uns für Einheimische hielten und fühlten uns allmählich ganz wie zu Hause.
Nördlich der alten Stadt, in dem geplanten Zentrum der expandierenden Metropole, fanden wir eine Gruppe von Tempeln, die von einem dramatischen Artemisschrein beherrscht wurde, der Göttin, der dieser Ort seit alters her geweiht war. Die zwölf aufsehenerregenden korinthischen Säulen waren von Gerüsten umgeben – nichts Neues für Gerasa. Daneben lag ein Tempel des Dionysos. Da offenbar zwischen Dionysos und Dushara eine Verbindung hergestellt werden konnte, besaßen nabatäische Priester eine Enklave in diesem Tempel. Wir machten ihre Bekanntschaft,
Weitere Kostenlose Bücher