Letzter Akt in Palmyra
in Petra passiert ist. Ich könnte Ihnen da so einiges erzählen!«
»Über Heliodorus? Ich habe seine Leiche gefunden, wissen Sie.« Wahrscheinlich wußte sie das, aber Offenheit ist unschädlich und füllt die Zeit, während man seinen Grips zusammennimmt. »Ich würde gern wissen, wer ihn unter Wasser gedrückt hat«, sagte ich.
»Vielleicht sollten Sie fragen, warum.« Ione war wie ein aufgeregtes kleines Mädchen, das mit mir Schatzsuche spielte. Keine gute Idee, falls sie tatsächlich etwas wußte. Nicht, wenn all meine Verdächtigen in der Nähe waren und vermutlich zuhörten.
»Und Sie meinen, mir das sagen zu können?« fragte ich obenhin und tat so, als würde ich mich auf ihr Spiel einlassen.
»So dumm sind Sie gar nicht; am Ende werden Sie es selbst herausfinden. Aber ich könnte Ihnen ein paar Hinweise geben.«
Ich hätte sie gern näher befragt, doch die Zollstation war viel zu öffentlich dafür. Ich mußte sie zum Schweigen bringen, zu ihrer eigenen Sicherheit und um mir die Chance zu geben, den Mörder zu finden.
»Sind Sie bereit, irgendwann mit mir darüber zu sprechen, aber vielleicht nicht gerade hier?«
Als Antwort auf meine Frage senkte sie den Blick, bis ihre Augen fast geschlossen waren. Aufgemalte Spitzen verlängerten ihre Wimpern; die Lider waren mit etwas gepudert, das wie Goldstaub aussah. Einige der teuren Huren, die römischen Senatoren bei Festmahlen zu Gefallen sind, würden Tausende für Iones kosmetische Mixturen zahlen. Meine lange Praxis im Kaufen von Informationen ließ in mir die Frage entstehen, wie viele mit Amethystsplittern besetzte Döschen und kleine rosafarbene Glasflakons ich wohl springen lassen mußte, um an das heranzukommen, was sie zu bieten hatte.
Unfähig, dem Geheimnis zu widerstehen, versuchte ich es mit Suggestion. »Ich arbeite an der Theorie, daß es ein Mann war, der ihn aus Gründen haßte, die mit Frauen zu tun hatten …«
»Ha!« Ione lachte bellend. »Falsche Richtung, Falco! Total falsch! Glauben Sie mir, der Schreiberling ist ausschließlich aus beruflichen Gründen getunkt worden.«
Für weitere Fragen war es zu spät. Tranio und Grumio, die sich immer in der Nähe der Musikerinnen rumtrieben, kamen angetigert wie überflüssige Kellner bei einer Orgie, die einem gegen ein ansehnliches Trinkgeld schlaffe Girlanden andrehen wollen.
»Ein andermal«, versprach mir Ione zwinkernd. Sie ließ es so klingen, als böte sie mir einen Liebesdienst an. »An einem ruhigen Ort, wo wir ganz für uns sind, eh, Falco?«
Ich grinste tapfer, während Helena Justina ein Gesicht machte wie eine eifersüchtige Verliererin in einer einseitigen Partnerschaft.
Tranio, der größere, geistreichere Clown, schenkte mir einen langen, dümmlichen Blick.
XXVI
Der Zollbeamte wandte sich plötzlich zu uns um, als könne er nicht verstehen, warum wir immer noch auf seinem wertvollen Stückchen Hoheitsgebiet herumlungerten, und scheuchte uns weg. Ohne ihm die Möglichkeit zu geben, seine Meinung zu ändern, sausten wir durch das Stadttor.
Wir waren fünfzehn Jahre zu früh gekommen. Für die Stadtplanung war das nicht viel, aber für hungrige Schauspieler, die an ihren letzten Granatäpfeln nagten, war es viel zu lange. Der Grundriß des zukünftigen Gerasa wies in seiner ehrgeizigen Planung nicht nur ein, sondern zwei Theater von außerordentlichen Proportionen auf, dazu ein weiteres, kleineres Auditorium außerhalb der Stadt auf dem Gelände der berüchtigten Wasserspiele, deren Besuch Helena mir so strikt untersagt hatte. All diese Bühnen wurden gebraucht – jetzt. Die meisten waren noch nicht mehr als Entwürfe. Wir fanden bald heraus, daß die Situation für Schausteller verzweifelt war. Zu diesem Zeitpunkt gab es nur eine rudimentäre Arena im älteren Teil der Stadt, um die sich alle streiten mußten.
Es war ein einziges Durcheinander. In dieser Stadt waren wir nur eine kleine Nummer in einem verrückten Zirkus. Gerasa hatte einen derartig guten Ruf als reiche Stadt, daß sie Straßenkünstler aller Arten aus allen Ecken des ausgedörrten Orients anzog. Ein einfaches Stück mit Flöten-, Trommel- und Tamburinbegleitung war nichts. In Gerasa gab es massenweise schmuddelige Akrobaten in zerrissenen Tuniken und abgelatschtem Schuhwerk (so sie denn überhaupt Schuhe besaßen), schlechtgelaunte Feuerspeier, Sardinentellerdreher und Rübenjongleure, einarmige Harfenspieler und arthritische Stelzenläufer. Für einen halben Denarius bekam man den größten Mann
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