Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)
saß da, als ginge sie das alles überhaupt nichts an; sie starrte vor sich hin und schien nicht das Geringste zu begreifen. Sehr zum Verdruss ihrer Tante, die ihre Geduld wieder einmal auf eine harte Probe gestellt sah. Vielleicht war es ein Fehler, dachte sie, dem Gänschen Likör einzuschenken.
„Dieser unserer – ganz und gar – unerquicklichen Verfassung ein geschwindes Ende zu bereiten“, fuhr die Genossin Carmen Denikin fort, „haben sich bereits in den vergangenen Monaten einige einflussreiche Damen der Berliner Prominenz in ähnlichen Zirkeln zusammengefunden, deren Existenz – das darf man mit Fug und Recht sagen – sich bereits auf das Befriedigendste bewährt hat.“
Unter diskretem Applaus tauschten die Damen lächelnd bedeutungsschwangere Blicke. Die von Friederike zuletzt eingeführte Deli-Ladenleiterin und Bankiersgattin machte in Gegenwart der örtlichen Hautevolée einen sichtlich gehemmten Eindruck, wogegen die bildhübsche Kandidatin Freya auf der Heide, die schon bei den „Gartenfeten“ im Bungalow La Bruyère ein phänomenales Maß an Hemmungslosigkeit bewiesen hatte, glitzernd-feuchte Augen bekam.
Geneviève schaute sich, durch die allgemeine Ovation offensichtlich aus ihrer Geistesabwesenheit aufgestört, erstaunt und verständnislos um im Kreis der beifallfreudigen Damenkamarilla.
Nachdem sich Carmen Denikin mit verbindlichem Lächeln und leichtem Kopfneigen für die Zustimmung bedankt hatte, nahm sie den Faden wieder auf: „Punkt eins unserer disziplinarrechtlichen Ordnung betrifft die praktische Seite des Unternehmens: Herren im Alter zwischen achtzehn und dreißig, kurz `Löwen´ genannt, stehen bereit, gegen entsprechendes Honorar galante Dienste zu leisten und gegebenenfalls auch zu dulden. Ausgeschlossen von jeglichem intimen Arrangement ist der natürliche Verkehr mit dem jeweiligen Partner, um Folgen jedweder Art a priori auszuschließen.“
Die Reaktion auf den drakonisch-kategorischen Imperativ war bei der Damenclique eindeutig kritisch, wenn nicht gar oppositionell, was Carmen Denikin jedoch zu übersehen schien.
Dabei war nun Geneviève endgültig aufmerksam geworden und schaute irritiert wie indigniert von den soeben gefallenen Formulierungen bald auf die Genossin, bald auf die Rednerin, aus deren Mund so verschlüsselte, gleichwohl eindeutig frivole Worte sprudelten.
„Punkt Nummer zwei ist dein Ressort, mein lieber Bogey“, sprach sie mit einem zärtlichen Blick auf ihren Galan weiter, wovon der Angesprochene allerdings keinerlei Notiz nahm. „Herr Poniatowski hat sich liebenswürdigerweise bereit erklärt, uns auch weiterhin `Löwen´ zuzuführen, so dass alles aufs Beste vorbereitet ist.“ Sie klatschte in Richtung des Warschauers Beifall, in den die Damen lebhaft einfielen, um dem Organisator der verheißenen Vergnüglichkeiten ihren Dank auszusprechen. „Und nun zu einem besonders wichtigen Punkt: der Diskretion!“ Dabei senkte Carmen Denikin ihre Stimme, um im Bemühen um größere Vertraulichkeit in schnoddrigen Berliner Dialekt zu verfallen, der den zu fordernden Verhaltensnormen charmante Leichtigkeit und den Charakter freundschaftlichen Rates verleihen sollte.
„Um een Haar hätten wir jüngst, als wir noch im Bezirk Mitte unsre nächtlichen Rendezvous veranstaltet ham, Schlamassel mit ´n Polypen jekricht! Irjendwie muss wat durchjesickert sein, denn se ham schon anjefangen, uns mit ihre Uffmerksamkeet zu beehren: Drum sind wa in vaschiedne Datschen in die Peripherie ausjewichen. Wenn ick Se daher um strikte Diskretion bitten dürfte und äußerste Vorsicht, so soll damit beileibe nich jesacht sein, dass Se Ihren `Löwen´, wenn Se von seinen Diensten saturiert sin, nich ins Restaurante, ins Lindencorso, CB oder innen Friddrichstadtpalast et cetera pp. eenladen könn. Ihrer Freijebigkeit über det vereinbarte Honorar hinaus sind nach oben natürlich keene Grenzen jesetzt. Offene Richterscala, wenn Se vastehn, wat ick meinen tu. Nur um eens muss ick Se nochmals janz herzlich bitten: Die Örtlichkeet unsrer Zusammenkünfte muss strikte jeheim bleeben! Zu Ihrer werten Beruhijung kann ick Se versichern, det von uns aus jedwede Sichrung jetroffen is; außer meener vietnamesischen Dienstjöre wohnt keener mehr vom Personal hier im Hause. Meen Schofför, der Kubinke, wohnt ooch außerhalb und bringt die Herren von den Schäck Points im Wajen hinta vahängten Fenstern hierher. Det Honorar händigt den Knilchen Ly Tam in einem Kuvert aus, bevor se wieda
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