Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)
rübajeschafft wern. Wir ham et mit zweehundert Mark West“ – sie zuckte die Achseln – „festjesetzt, wozu denn allerdings noch de Provision von fuffzich Prozent für Herrn Poniatowski kommt. Bei besonders ausjefallnen Wünschen erhöht sich det Honorar auf bis zu fünfhundert De-Emmchen, je nachdem... Und ick möchte explizite betonen: nur bei besondere Anforderungen, wenn ick mir ma so jewählt ausdrücken darf. Im Übrijen bitt ick Se, mir als Ihre Vertraute zu betrachten, der Se allet ohne jede Scheu, also ooch heikle Anjelejenheeten und Sonderwünsche, anvatraun können, un...“
„Komm, ja! Schluss mit Rederei!“ fuhr Poniatowski zischend dazwischen, weil er Geneviève plötzlich hat aufspringen und zur Tür stürzen sehen. Er eilte ihr hinterher, gefolgt von Friederike und Carmen Denikin, die nur mühsam die Fassung behielt und sich umwendend bei den verbliebenen Damen entschuldigte: „Pardon, aber ich jloob, Frau La Bruyère is indisponiert. Bitte bedient euch so lang, ick schick euch ooch jleich die Ly Tam...“ Womit sie ebenfalls – völlig konsterniert – das Zimmer verließ.
Im Nebenraum waren bereits Friederike und Poniatowski eilfertig um Geneviève bemüht, deren Verfassung tatsächlich mehr als beunruhigend schien, und man bettete sie zunächst auf einen Diwan. Die junge Frau fieberte und redete phantasierend wirres Zeug, so dass die Genossin und Frau Denikin sie in eines der hinteren Zimmer schafften, die nach dem Garten zu lagen und wohin die Geräusche der Straße nicht hin drangen, von wo jedoch auch kein Wort aus dem Salon zu vernehmen war.
„Wat ick euch jesacht hab´!“ stöhnte die schöne Carmen. „Ihr bringt uns alle mitnander noch ins Kittchen!“
Durch kalte Wadenwickel und Importtabletten aus Irrläufern der kapitalistischen Bundespost gelang es, zunächst das Fieber herunterzudrücken. Währenddessen wurde der Five o'Clock Tea, der so verheißungsvoll begonnen hatte, nach diesem bedauerlichen Zwischenfall weiter fortgeführt, ohne dass jedoch noch eine rechte Stimmung aufkommen wollte, weshalb man sich darauf einigte, für diesmal den `Löwen´ abzusagen und die Fete um ein paar Tage zu verschieben. Nur die auf der Heide bestand darauf, wenigstens ein wenig Astrologie zu treiben und dabei ihr Marie-Antoinette-Kostüm anzubehalten. Sie stellte sich noch einmal kokett vor den großen Spiegel und fand ihr Abbild äußerst passabel. „Ewig schade!“ schmollte sie, „aber jerade heut wär´ ick so richtig wieda in Form jewesen!“
Carmen Denikin und Ly Tam wechselten einander in der Nachtwache ab. Poniatowski warnte davor, so mir nichts, dir nichts damit aufzuhören, Geneviève Kokain zu verabfolgen, doch wollte Carmen Denikin nichts von seinem Vorschlag wissen, die Dosis der Droge erst allmählich zu verringern. Höchstpersönlich übernahm sie die Beaufsichtigung der Patientin.
Aber noch am Vormittag des folgenden Tages stellte sich heraus, dass der Warschauer recht behalten sollte. Der Zustand Genevièves verschlimmerte sich; Erbrechen und Schwindelgefühl, verbunden mit Schüttelfrost und Schweißausbrüchen, wechselten einander ab, ihre körperliche Verfassung verschlechterte sich zusehends. In kurzen Abständen traten Magenkrämpfe auf, und Geneviève bat unter Schmerzen, man möge doch den Hausarzt ihres Mannes, den alten Dr. Scheribbert, herbeiholen lassen. Um sie zu beruhigen, wurde zwar Ly Tam sofort losgeschickt, die jedoch nach einer Dreiviertelstunde an der Tür klopfte, um – wie verabredet – Bescheid zu geben, der Herr Doktor sei leider auf Urlaub in Budapest. Friederike versprach der Verzweifelten, unverzüglich eine Kapazität, einen Bekannten Poniatowskis, einzuschalten.
Dieser Dr. Zbiegniew Brzyzielinski hatte in der polnischen Hauptstadt die Insassinnen von Poniatowskis Etablissement ständig untersucht und in kleinen Dosen Penicillin aus Spendenlieferungen verabfolgt, war aber schließlich auch gezwungen gewesen, da er in die Devisenschieberei verwickelt war, mit seinem Freund Boleslaw nach Berlin West zu übersiedeln.
Bei der unaufhaltsamen Konjunktur von Geschlechtskrankheiten aller Art, einschließlich der aufkommenden Verbreitung von AIDS, gelang es ihm in kürzester Frist, in Wedding eine florierende Praxis zu betreiben; nebenher ordinierte er ambulant jenseits des Eisernen Vorhangs, da er gleich Poniatowski eine mit derselben Handschrift versehene Geburtsurkunde mit eingetragener deutschstämmiger Großmutter besaß und neben dem
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