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Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Titel: Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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unbedingt etwas zu erfahren, hören Sie?“  
    „In Ordnung, Gnädigste, wird schon anschlagen, Garantie geb´ ich dafür!“ erwiderte Poniatowski und fügte meschant grinsend hinzu: „Hab jetzt schon Routine ein wenig da drin und in meinem kürzlich in Warszawa eröffneten Etablissement – gediegen natürlich und ganz distinguiert – schon mehrfach Widerstand gebrochen von kleine Mädchens, die sich hernach eingearbeitet haben sehr, sehr gut.“

Die Wirkung der Droge war allerdings alarmierend: Unrast wechselte mit starkem Kopfschmerz und rasendem Puls; dazu quälten Geneviève Bauchschmerzen mit Brechreiz. Selbst den Warschauer befielen unter diesen Umständen Zweifel, die er allerdings tunlichst der Genossin verschwieg, da er ihre Halsstarrigkeit zur Genüge kannte. Sie würde ihm sogleich eine Szene machen, die er sich gern ersparte; doch wenn die Sache schief lief, wollte er sich beizeiten aus dem Staub machen, sich keinesfalls zum Sündenbock stempeln lassen von diesem Satansaas.
    Einstweilen jedoch sah er keinen Grund zu übertriebener Sorge; für den Vorabend der geplanten Affäre hatte er ein weiteres Pülverchen parat, das für kurze Zeit ausgleichend wirkte, so dass sie am Samstag in Friederikes offenem Cabrio bei prächtigem Wetter in die Vandalitzer Waldsiedlung zu dem so harmlos angesetzten Five o'Clock Tea bei Carmen Denikin fahren konnten. Im Fond der Nobelkarosse aus Bavaria, einem Staatsgeschenk des dortigen Landesfürsten selig – der sich mit dem Vorsitzenden Erich schon mal auf gemeinsamer Jagd zusammen einen Fuchsbandwurm zugezogen hatte –‚ die von zweihundert, unter keinerlei Kraftstoffmangel leidenden Pferdestärken angetrieben wurde, saß Geneviève an der Seite ihrer Tante; den Beifahrerplatz hatte der frischgebackene Barbetreiber – auf Urlaub schon für unbestimmte Zeit – inne, an dessen Art, wie er unter halb gesenkten Lidern seine entzückende Hinterfrau durch den Rückspiegel mit Blicken abtastete, die Genossin leicht zu erkennen vermochte, wie sehr er es wahrscheinlich bedauerte, ein so gut gebautes, anziehendes Geschöpf nicht für sein Warschauer Etablissement gewinnen zu können.
    Indes Geneviève seine lüsternen Blicke gar nicht zu bemerken schien und, lässig im Sitz lehnend, die Bäume der Allee zählte, in sich gekehrt, spielerisch dabei und verträumt, eine Melodie suchend, die zu dem Sound des schnurrenden Motors und den taktweise vorbeirasenden Bäumen passen könnte. Sie ließen den altmodisch-muffigen Funktionärsclub mit Swimmingpool, Kino und Bar links liegen, und endlich hielt der Wagen. Man schritt über die von Baumwurzeln angehobenen Gehwegplatten unter einer riesigen, dunkle Schatten verbreitenden Birke, die – wie die an den anderen Häusern auch – vor vierzig Jahren bedenkenlos zu nahe an den Gebäuden angepflanzt worden war und jetzt das Sonnenlicht raubte, den Rasen vermoosen ließ und, die Bauwerke weit überragend, bei Sturm drohte auf die Dächer zu stürzen, während ihre Wurzeln den Mauern Risse beibrachten und sich immer weiter zwischen den Grundstücken verzweigten – ein heilloses Netzwerk naiv-unkritischer Fehleinschätzungen.
    Niemand verschwendete indes nur einen Gedanken daran, aber selbstredend wusste jede der Damen, die sich im rosé Salon der Vandalitzer Luxusdatsche zu Tee, Orangenlikör und Krimsekt zusammensetzten, dass für alle ein gemütlich eingerichtetes Zimmer zu nächtlichen Vergnügungen intimster Art bereitstand.
    Eine jede war begierig, aus dem Mund der erfahrenen Gastgeberin Näheres zu erfahren über die verheißenen Freuden, über die eine einzige in diesem Kreis ahnungslos war: Geneviève.
    Die junge Frau sah nur, dass die anderen fast vor Langeweile vergingen, sich dabei ausnahmslos elegant herausmachten und sehr distinguiert waren oder sich zumindest so gaben. Sie ahnte nichts von dem bevorstehenden erotischen Unternehmen, wusste nicht, was es kostete und dass das gar keine Rolle spielte für den ersten Stand der sozialistischen Drei-Klassen-Gesellschaft, der keinen Pfennig irgendeiner Währung umzudrehen brauchte, da für ihn die Hauptsache darin bestand, sich wieder einmal nach Herzenslust amüsieren zu können; während der zweite Stand Ost- und Westgeld in der Tasche hatte, gespeist aus verschiedenen Quellen: Die parteitreuen „Reisekader“ jeglicher Couleur – zum Teil politisch-militante Neubürger aus Westdeutschland – waren mit Valuta von Vater Staat, die rührigen Dissidenten mit Überweisungen

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