Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)
stets gerichtet auf eine einzige Person: ein junges Mädchen, sehr jung, das den Warschauer sofort an die junge Frau La Bruyère erinnerte, sehr blond, sehr helle Augen in hübschem Frätzchen, das Mündchen einfältig und niedlich halb geschlossen, Geneviève wie aus dem Gesicht geschnitten und mit vergleichbarer Glanzfassade. Ihre ausdrucksstarken Augen hatten ebenfalls nur ein Ziel: eine dunkelhäutig-exotische herbe Schönheit mit kräftigem Popo und karibischen Ringellöckchen, die verzückt den elektronischen Klängen der einheimischen Combo lauschte, die Arrangements der Klaus-Lenz-Bigband nachspielte.
Als die Musik eine kleine Weile pausierte, nutzte der Warschauer die Chance, sich langsam dem jungen Mann zu nähern. Als er fragte, ob der Platz neben ihm frei sei, zuckte der Junge zusammen, warf ihm einen giftigen Blick zu und nickte mit düsterer Miene, um sich gleich wieder der Beobachtung des blonden Mädchens zu widmen. Seine Hände waren schmal, sehr gepflegt und die Haut so durchsichtig, dass man das blaue Geflecht der Adern bis in die feinsten Verästelungen erkennen konnte. Am auffallendsten waren seine Finger: überaus feingliedrig und spitz zulaufend, erinnerten sie an die dünnen Beinchen einer Spinne. Außerdem schienen sie ein Eigenleben zu führen, denn sie waren fast pausenlos in Bewegung, spielten mit einem Kugelschreiber, knüllten einen Bierdeckel zusammen, um ihn ordentlich, fast pedantisch, gleichwohl erfolglos wieder glatt zu streichen, hernach verschlangen sie sich nervös ineinander, so dass die Knöchel weiß hervortraten.
Den sonderbaren Burschen von dem Mädchen abzulenken, fiel dem Warschauer leichter, als er gehofft hatte, da ein Zufall ihm den Knaben in die Hände spielte. Die Schokoladenbraune, der die begehrlichen Blicke des Jungen am Eckplatz auf die blonde Schöne offensichtlich nicht entgangen waren, schlenderte mit einem spöttischen Seitenblick auf ihn lasziv die Hüfte schwingend vorbei, um sich dem blonden Mädchen zu widmen, sie unvermittelt und lange auf den Mund zu küssen, was diese sich ohne weiteres gefallen ließ, und mit ihr, der kleinen Berlinerin, händchenhaltend das Lokal zu verlassen.
Des Warschauers Thekennachbar, der dem Sekt zu schnell und zu reichlich schon zugesprochen hatte, griff entgeistert abermals zu der Flasche, um sich die Neige einzuschenken. Es war nur noch ein Tropfen, so dass er bei Heini einen doppelten Braunen orderte. Das aber hätte das Unterfangen des Warschauers leicht vereiteln können; noch schien der Mann leidlich aufnahmefähig zu sein, seinen Vorschlag zu begreifen. So sagte der Warschauer schnell: „Klein Moment mal, Heini. Junger Mann hier möchte bestellen nichts mehr“, wobei er den Knaben scharf fixierte, weil er damit rechnete, der andere möchte empört auffahren; doch das Gegenteil trat ein.
Erschrocken starrte ihn der so Überrumpelte an, seine Wangen schienen noch um einige Grade wächserner zu werden, er begann zu zittern und mit trockener Stimme zu stammeln: „Nein, nein... Sie täuschen sich! Bestimmt!“
Der Warschauer stutzte, legte ihm seine Hand auf den Arm und sah ihn mit seinem gefrorenen Lächeln und mit zusammengekniffenen Augen durchdringend an. „Keine Angst“, raunte er, „hab ich Ihnen vorzuschlagen ein kleines Geschäft: vielleicht ein wenig abenteuerlich, doch gar nicht unangenehm.“
Der junge Mann schaute ihn zweifelnd und immer noch ängstlich an, doch der Warschauer beugte sich vor, um beschwichtigend zu versichern: „Ich kann Ihnen beschaffen ein viel hübscheres Mädchen als die blonde Kleine eben; und richtig in Kopf!“ Er bohrte sich einen Zeigefinger in die Schläfe. „Müssen nur wollen, junger Mann. Sehen Sie, hab´ ich Fotografie von ihr.“
Damit holte er aus seiner Jackentasche zwei Aufnahmen von Geneviève. Die erste zeigte sie im Bikini an einem Spreestrandbad, die andere war jene von Gustav Patzke bewunderte Farbaufnahme des schmuckbehängten Mädchens in Jeans. Der Warschauer beobachtete mit Genugtuung, wie der junge Mann die Bilder fasziniert betrachtete, und er begann halblaut und wie beiläufig Genevièves körperliche Vorzüge anzupreisen. Mit gewählten Worten versuchte er dabei bei dem anderen die Vorstellung zu wecken, dass eine in Geneviève noch bestehende Sprödigkeit allein auf der natürlichen Scheu eines noch unberührten Mädchens beruhe. Mit klammheimlichem Vergnügen verfolgte er die seltsamen Veränderungen, die seine Ausführungen bei seinem jugendlichen
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