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Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Titel: Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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Gesprächspartner hervorriefen.
    In dessen Augen begann ein unruhiges Licht zu flackern, die Blässe seiner Wangen wechselte mit fliegender Röte, und er vermied die Begegnung mit dem Blick des Warschauers, schien bei seiner Bildbetrachtung alsbald den Fremden vergessen zu haben. Er hielt den Kopf gesenkt, seine Augen irrlichterten zwischen den beiden Fotos hin und her und seine Finger spielten unruhig mit einer Serviette. Der Warschauer sah sich genötigt, den Jüngling daran zu gemahnen, dass er die Rolle eines zwar sportlichen, aber vor allen Dingen schwärmerischen und schüchternen jungen Mannes aus gutem Haus zu spielen habe, wenn das galante Abenteuer nicht fehlschlagen solle. Als er den anderen in ein Gespräch über das Skispringen auf Groß-, Klein- und Naturschanzen verwickelte und feststellte, dass ausreichende wintersportliche Grundkenntnisse vorhanden waren, schmatzte er befriedigt und verabredete Termin und Treffpunkt.
     
    Es war Freitag, der dreizehnte, und wieder viel zu warm für die Jahreszeit. Mittags herrschte eine drückende Schwüle, und der Himmel überzog sich auch bald mit tiefschwarzen Wolken, die auf ein befreiendes Gewitter hoffen ließen, ohne dass sie sich allerdings auch tatsächlich entladen hätten. Im Süden der Hauptstadt durchzuckten grelle Blitze den dämmrigen Spätnachmittag, und krachende Donnerschläge folgten in immer längeren Abständen, aber der Aufruhr der Elemente wollte sich offenbar nicht im Süden vollziehen.
    Im Norden Berlins dagegen wälzte sich unruhig der Vandalitzsee in seinem sandigen Bett unter einer tiefliegenden, geschlossenen dunklen Wolkendecke, als pünktlich um neunzehn Uhr ein dunkelblauer Volvo am Seeufer hielt. Die Straßenlaternen knauserten mit ihrem teuren Strom aus den Dreck verschleudernden Braunkohlekraftwerken, so dass nur die Autoscheinwerfer ihr Zwillingslichtband über den See warfen, den ein böiger Wind peitschend bestrich. Jäh öffnete jetzt der Himmel seine Schleusen, prasselnder Regen klatschte gegen die Fensterscheiben und verwischte dem Fahrer trotz der pendelnden Scheibenwischer die Sicht.
    „Dreimal hupen, ja!“ ertönte aus dem Fond des Wagens Poniatowskis Stimme, der über die beschlagenen Scheiben mit dem Unterarm wischte, weil er ebenfalls vergeblich etwas zu erkennen suchte.
    Auf das Dreiklangsignal der Hupe löste sich eine Gestalt aus einem Wartehäuschen, das sich unter einer Krüppelkiefer duckte, und ein Schatten stürzte auf den Wagen zu, dessen Fondtür aufgeschlagen wurde. Ein Mann stieg, einen Gruß murmelnd, zu, der Warschauer drückte ihm einen Strauß gelber Rosen in die Hand, und nach wenigen Minuten hielten sie vor dem Bungalow von Frau Denikin. Matt glommen zwei Lampen links und rechts des Gittertores, das der Fahrer mit hochgeschlagenem Kragen aufschloss.
    Genauso plötzlich, wie er begonnen hatte, hörte der Regen auf, aber es blieb der fortgeschrittenen Jahreszeit und der Wetterlage entsprechend stockduster; nur die winzigen Lämpchen einer elektrischen Lichterschnur, die zwischen den Bäumen über den kiesbestreuten Gartenweg im Winde hin und her baumelten, wiesen den dunklen Gestalten den Weg zu dem Pavillon mit der Zwiebelhaube, unter der Geneviève, nachdem schon vor geraumer Weile das Dienstmädchen Ly Tam angerichtet hatte, in zunehmender Unrast und Befangenheit auf ihren verliebten Anbeter wartete, den der Warschauer gerade bis an die Schwelle ihrer Kur-Datsche geleitete.
     
    Am frühen Samstagmorgen verstrahlte die Sonne aus einem wolkenlosen Himmel ihr noch schräggleißendes Licht, und nichts gemahnte mehr an das düstere Unwetter der vergangenen Nacht. Nur Kiefern und Ziersträucher sowie das taufeuchte Gras atmeten noch die belebende Nässe und frische Kühle des beginnenden Herbsttages. Das Wetter hatte umgeschlagen, dem Gewitter folgte allmählich heranströmende Kälte. Auf den Nadelspitzen der Baumkronen um den Pavillon mit seinen noch verschlossenen Fenstern glitzerten Wassertropfen, und das monotone Plätschern des Springbrunnens war das einzige Geräusch, das neben entferntem fröhlichem Vogelgezwitscher zu vernehmen war.
    „Flau La Blüjäle hebt Hölel nikt ab“, meldete Ly Tam mit ihrem komischen Akzent der am Frühstückstisch im Salon der Datsche versammelten Runde.
    „Danke, mein Kind, versuch´s noch mal ... ein wenig später, Ly Tam, hörst du!“ Worauf diese zustimmend knickste und verschwand.
Das Damenkränzchen brach in heiteres Gelächter aus, als sich die Tür hinter

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