Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)
der vietnamesischen Dienstmagd geschlossen hatte, und die Genossin wandte sich triumphierend an den Warschauer, wobei sie ihn zum ersten Mal mit dem Beinamen anredete: „Bogey“, flötete sie süß, „Se sin ehm doch een oller Jiftmischer und vastehn ihr Jeschäft aussem Effeff wie der Chevalier Saint Croix, der Cicisbeo der Marquise von B.!“
Der Angesprochene zuckte nur die Achseln.
„Bestimmt sind die beiden im Pavillon noch kaputt von den Strapazen der Nacht!“ kicherte Freya auf der Heide wollüstig in Erinnerung an eigene Freuden, die ein junger `Löwe´ ihr selbst einmal verschafft hatte.
„Du meinst die Marquise von Brinvilliers“, sagte düster die übernächtigte, erschöpfte Carmen Denikin. „Endete sie nicht auf dem Schafott, nachdem ihr giftmixender Galan beim Spiel mit dem Feuer das Zeitliche gesegnet hat?“ Bedeutungsvoll mit dem Kopf nickend, erhob sie sich voll Unruhe – ihr war die Drogengeschichte schon längst nicht mehr geheuer vorgekommen – und trat auf den Balkon hinaus, von dem aus sie hinter einer dürren Kiefer den Achteckbau mit dem Zwiebeltürmchen vor sich liegen sah.
Nichts regte sich, nicht mal ein laues Lüftchen; immer noch waren die Fenster des Pavillons geschlossen, das flüsternde Plätschern des Springbrunnens hinter dem Häuschen machte die Stille, die über dem parkartigen Gelände lag, nur noch spürbarer. In plötzlicher Beklemmung seufzte Carmen unwillkürlich tief auf, zog ihren Schal fester über die Schultern und wollte sich wieder zurück zur Balkontür wenden, als unvermittelt das Telefon im Pavillon schrillte. Die Genossin Denikin zuckte zusammen und starrte gebannt hinüber. Der Apparat schlug ein zweites, nach einigen Sekunden noch ein drittes Mal an und wieder und wieder...
Bei der Couchecke, wohin sich die kleine, aber feine Gesellschaft – gesättigt und in jeder Hinsicht befriedigt – zurückgezogen hatte, erschien Ly Tam mit ihrem unergründlich-asiatischen, jetzt aber auch verlegenen Lächeln.
„Was gibt´s?“ fuhr die Hausherrin das Mädchen an, „noch immer nicht...?“
„Nein, Flau La Blüjäle ... nikts sich muckst!“ entgegnete Ly Tam hilflos. „Soll ick blingen Flüstück in Pavillon?“
Carmen Denikin zögerte einen Moment, ehe sie erwiderte: „Lauf rüber, Ly Tam, und frag durch die Tür, ob die Herrschaften eventuell...“ Sie schluckte und setzte mit einem nicht gerade freundlichen Blick auf Friederike sich verbessernd hinzu: „....die Dame vielleicht nicht hier auf der Terrasse mit uns frühstücken möchte.“
Als das Mädchen gegangen war, meinte die Genossin aus Opposition gegen den vorwurfsvollen Blick der Hausherrin, aber mit behaglich-selbstzufriedener Miene: „War aber auch höchste Zeit, dass sie Vernunft angenommen hat, das dumme Ding! Lässt die wunderbarsten Jahre ungenützt vorübergehen; worauf wartet sie eigentlich? Doch nicht auf ihren vergreisten Knasterbart! Oder etwa vielleicht auf das große Wunder?“
„Sei still!“ rief Frau Denikin auffahrend. „Habt ihr nichts gehört?“ Statt einer Antwort erschrillten rasch sich nähernde, gellende Schreie. Sie kamen von Ly Tam, die – immer noch kreischend – ins Haus stürzte. Die Frauen Denikin und auf der Heide sprangen hoch, während die anderen wie festgenagelt sitzen blieben. Es klang wie Maschinengewehrknattern, als die Absätze des Mädchens über die Holztreppe vom Garten heraufhasteten; die Tür wurde aufgerissen, hinter der, nach Luft japsend – mit einem unsäglichen Ausdruck des Entsetzens im Gesicht, die Augen vor Grauen weit aufgerissen – Ly Tam erschien. Sie sank mit dem Rücken an den Türpfosten und sah wie irrsinnig von einem zum anderen. Während sie, langsam einknickend, zu Boden sank, hub sie zu sprechen an, doch war nur ein jämmerliches Lallen zu vernehmen.
Jetzt, da alle aufgesprungen waren und durcheinander schrien, starrte die Genossin den Warschauer schweigend-giftig an, derweil Carmen Denikin als Erste auf Ly Tam zusprang, sie bei den Armen packte, sie hochzog und schüttelte: „So mach doch schon den Mund auf, um Gottes willen, und red´!“
„So sprich doch, Ly Tam!“ drängte jetzt auch die Genossin.
Alle umringten das Mädchen, das im Türrahmen lehnte, aber jeden Augenblick wieder umzusinken drohte. Den Kopf gesenkt und immer noch mit starrem Blick kam es flüsternd von ihren blutleeren Lippen: „Flau lühlt sik nikt ... elmoldet!“
„Ermordet!“ schrie die gerade noch fidele Freya auf der Heide, schlug
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