Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)
Bettpfosten greifen. Draußen haben sie offenbar ihre Antwort nicht gehört, da Ingrid sich wieder vernehmen lässt: „Hörst´en nich, Tante Ela, et is jemand da für dich!“ Mit zitternden Händen greift Michaela nach dem roséseidenen Negligé, dem Geschenk von Bogdan, schlüpft in die flauschigen Pantoffeln mit Bommel, wirft einen kurzen Blick in den Spiegel und steckt – schon im Gehen – flüchtig ihr Haar im Nacken zusammen.
Als sie die Küchentür aufschließt und öffnet, stehen im Korridor zwei Männer in Zivil. Räuberzivil, denkt sie. Der Erste ist stämmig und untersetzt, trägt Anglermütze und Lodenmantel; er besitzt wässrige, weit vorstehende Stielaugen, die zudem leicht auseinanderstehen, was unheimlich wirkt und sie an einen verstorbenen englischen Komiker erinnert und ein wenig erschreckt. Halb hinter dem Grünen steht ein Spindeldürrer mit Lederkappe, der auch sonst versucht, Bert Brecht zu imitieren; es gerät unsäglich: Zigarillo zwischen angefaulten Haifischzähnen, sprießt ihm flaumiges Barthaar auf der Oberlippe, auf spitzer Nase sitzt ein nickelgefasstes Brillengestell, dessen Gläser recht dick ausgefallen sind, sodass sie seine Knopfaugen scharf punktieren.
Ingrid lehnt auf der untersten Treppenstufe lässig an der Wand, schaut – halb neugierig, halb erschrocken – abwechselnd auf die zerzauste Michaela und auf den Stieläugigen, der mit heiserer, ja versoffen klingender Stimme fragt: „Sie sind die Schumann Michaela, wa?“
Die Angesprochene überhört die Frechheit in der Anrede, nickt nur. Stasimanier, denkt sie. Und die nächste Sekunde gibt ihr recht. „Wollen Sie Angehörige der Staatsorgane nicht hereinbitten?“
„Kriminalpolizei?“ fragt Michaela.
Die beiden nicken ab. „Alles in Ordnung. Sonderabteilung.“
„Seid wann ist bei den Bullen was in Ordnung?“ raunt Ingrid.
Michaela muss sekundenlang die Augen schließen. Ingrid starrt sie an; Michaela bemerkt es und sagt hastig zu ihr: „Danke, Ingrid, es ist schon gut.“ Das Mädchen nickt nur benommen, wendet sich ab und rennt die Treppe hinauf, als wäre sie auf der Flucht.
Die beiden Herren treten ein, ohne ihre Kopfbedeckungen abzunehmen. Sie überfliegen den Raum mit hochgezogenen Brauen und verkniffen scharfen Augen, denen nichts zu entgehen scheint. Der unstete Blick des Mageren kehrt zu Michaela zurück, legt sich auf ihr Gesicht, wo er nervös zwischen ihren beiden Augen hin und her springt. Der des Stämmigem gleitet von ihren Füßen an ihr hoch und bleibt auf ihrem Augenpaar haften; um sein breites aufgeworfenes Maul spielt ein deutlicher Anflug bornierter Unverschämtheit. Michaela errötet trotzdem, ihr ist speiübel. Eigentlich sollte ihr sein rüpelhaftes Benehmen gleichgültig sein, aber sie macht doch eine unwillkürliche Bewegung, als der Kerl vor ihr auf das dünne Nachthemdchen mit dem tiefen Ausschnitt stiert, und zieht das Negligé enger zusammen.
„Verzeihen Sie, aber ich konnte noch nicht...“ Sie wendet sich dabei bewusst an den Langen, weil ihr des anderen Froschgesicht widerwärtig ist. Als sie hinzusetzt: „Wollen die Herrschaften nicht Platz nehmen...?“ schneidet der Untersetzte ihr das Wort ab.
„Sparen Sie sich Ihre Unverschämtheit! Sie haben ein paar unserer Fragen zu beantworten!“ Seine Stimme klingt belegt und auch unnahbar. „Wovon bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt?“
„Ich wüsste nicht, was Sie das angeht“, antwortet Michaela unvermittelt trotzig. Der froschäugige Blick des Verhörenden lässt sie jedoch rasch abmildern: „Ich bin verheiratet.“
„Ach ja?“ Der Büttel zieht seine schmale Stirn zusammen.
„Wo ist er denn, der Herr Gemahl?“
„Auf Montage.“
„In Leipzig oder Budapest?“ Er zieht die Worte absichtlich in die Länge, um ihre Wirkung abzuwarten, während sein faunischer Blick wieder an ihr herunter und herauf gleitet. „Na, lassen wir das nu“, meint er. „Sie sind also nicht werktätig, sondern waschen die schmutzige Wäsche anderer Leute, wa?“ Der Hagere feixt.
Michaela nickt, weil sie denkt: Er schließt von sich auf andere. Sie hält sich an der Stuhllehne fest und beobachtet, wie die beiden Eindringlinge Blicke des Einverständnisses wechseln.
„Dann können wir ja zur Sache kommen, Schätzchen“, bellt der Schnüffler. „Sie lassen einen Warschauer bei sich wohnen, wa? Einen gewissen Poniatowski?“ Das kommt wie die Salve einer Doppelflinte. Und die Männer schauen sie lauernd an. Michaela schüttelt den
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