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Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Titel: Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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Tam, weiter auf den Fahrer des Warschauers und dann sogar auf das ebenfalls aus Vietnam stammende Dienstmädchen der Genossin Wagner-Gewecke, der kleinen Vo thi Lien. Die Damenriege lag auch so falsch nicht mit ihrer Mutmaßung, denn der Anstoß für den Tipp – notabene gleichfalls an einen akkreditierten Fernsehjournalisten – kam von Collisys dienstbarem Geist aus dem Fotoatelier, der alles, was im Bungalow La Bruyère und in der Vandalitzer Datsche vorging, aufmerksam beobachtete. Durch die von ihrer Genossin Gebieterin brutal missbrauchte, kaum sechzehnjährige Vo thi Lien war er über das Treiben der „Prominenz“ verhältnismäßig gut unterrichtet; der Angestellte Collisys aber war der Geliebte des Berufskraftfahrers, der den Warschauer häufig genug chauffiert hatte und um die Bekanntschaft Poniatowskis mit dem mysteriösen Fremden wusste, hatte er selbst doch die beiden am Freitag bei Wind und Wetter zur Datsche gebracht und im Garten verschwinden sehen.
    Als der Fahrer am Samstagmorgen die `Löwen´ wie gewohnt von der Seedatsche abgeholt hatte und hernach zurückkehrte, um den Wagen wie gewöhnlich in der Garage abzustellen, entdeckte er davor Polizei- und SMH-Wagen sowie einen kleinen Menschenauflauf, den ein Polizistenpaar vom Gittertor fernhielt. Sein Instinkt sagte ihm sofort, dass er nur Ärger bekommen würde, wenn er sich als Chauffeur der Datscheninhaber zu erkennen geben würde; so gab er geistesgegenwärtig wieder langsam Gas und fuhr weiter bis zum Parkplatz am See, kehrte zu Fuß um und mischte sich unter die Schaulustigen, um zu erfahren, was vorgefallen war. Später überredete ihn sein Freund, sich bei der Staatssicherheit zu melden, um ordentlich auszupacken; falls die Kameraden der teutonischen Tscheka nicht sowieso bereits Wind von der Chose gekriegt hätten.
    Auf alle Fälle – und das nahm man mit zwiespältigen Gefühlen zur Kenntnis – war es dem Teil der in Memfis residierenden Staatsmacht gelungen, Bogdan Poniatowski alias Boleslaw Kloczowski noch am gleichen Abend auf Nummer sicher zu bringen; einen säuberlich gepackten Koffer hatte er bereits in Händen gehalten an der U-Bahn-Station Friedrichstraße. Nun stand es zu beurteilen, ihn an die sowjetischen Behörden zu überstellen, dessen Bürger er als gebürtiger Königsberger ja eigentlich war.
     
    Am Montagabend war Michaela nachgerade verzweifelt, dass sich Bogdan seit Tagen schon nicht mehr hatte blicken lassen. Bereits am vergangenen Freitagmittag war er nicht zu seiner üblichen Sprechstunde erschienen, obwohl ausgerechnet an einem dreizehnten, einem Freitag noch dazu, doppelt so viele Aspiranten für die ominösen, von dem Warschauer vermittelten Jobs vorstellig wurden wie sonst, sodass Michaela Mühe hatte, die Bewerber nach zwei Stunden vergeblichen Wartens zu beschwichtigen und, sie auf nächste Woche vertröstend, nach Hause zu schicken.
    Am Sonntag kursierten dann bereits die ersten Gerüchte über den Mord in der Vandalitzer Datsche, ohne dass Michaela ahnte, dass ihr Bogey in diesen Fall verwickelt war. Als er dann am Montag nicht erschien, verging sie fast vor Sorge und Unruhe, geistesabwesend starrte sie am späten Abend auf den Bildschirm, wo über einen Westkanal die Bilder der Leipziger Demo mit mehr als hundertfünfzigtausend Teilnehmern liefen sowie die Vorabmeldungen der Westpresse über einen Lustmord. Der Kommentar freilich über den Kriminalfall am See erschöpfte sich inhaltlich auf wenige Worte à la: „Nichts Genaues weiß man nicht!“ Todmüde und zerschlagen begab sich Michaela gegen Mitternacht ins Bett, um eine Nacht wirrer Träume zu verbringen, bis sie gegen Morgengrauen in einen bleiernen Tiefschlaf verfiel. In aller Herrgottsfrühe wurde sie durch wiederholtes Klopfen an der Küchentür geweckt. Seltsamerweise war sie augenblicks hellwach, als witterten ihre überreizten Nerven irgendeine Gefahr. Als es neuerlich klopfte, stärker noch als zuvor, vernahm sie gleichzeitig Ingrids Stimme: „Aber sie ist bestimmt zu Haus. Sie wird halt noch tief und fest schlafen, schließlich muss sie eine ziemliche Arbeit leisten, wenn sie über die Runden kommen will!“
Michaela fuhr zusammen, denn jemand hämmerte plötzlich gegen die Tür und rief mit heiserer Männerstimme: „He da, aufmachen!“  
    Unter dem Ruf „Ich komm´ ja schon“ springt sie mit einem Satz aus dem Bett und in ihr Nachthemd, sofort wird ihr ganz schlecht, alles beginnt sich um sie zu drehen, und sie muss rasch nach dem

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