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Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Titel: Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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Grabe getragen!“ meinte bitter die schöne Carmen und musste an die tödlichen Vorgänge um Geneviève La Bruyère in ihrem Haus in Vandalitz denken.
    Wie zur Bestätigung hörte man nun von der Straße anwachsenden Lärm, aus dem einzelne Rufe zu verstehen waren: „Freiheit! Gleichheit! Brüderlichkeit“ – „Wir sind das Volk!“ – „Keine Gewalt!“ Auch immer wieder: „Gorbi, Gorbi!“ Und jeder Ruf wurde in Sprechchören wiederholt, die sich in den Nebenstraßen fortpflanzten, wie ein Echo widerhallten und von einem ohrenbetäubenden Beifall beantwortet wurden. Dabei war die Stimmung beängstigend friedlich; anstatt „Stasi raus“-Rufen pflanzte sich durch die Reihen der Appell an die Vaupehs fort: „Polizisten, schließt euch an!“ Letztere schafften aber lediglich der einträchtigen Demo freie Bahn. Und mit verkniffenen Lippen und eingezogenen Schwänzen standen zwei der Hunderttausend spitzelnden Eckensteher und schnüffelnden Schlüssellochgaffer in einem Ladeneingang unter dem Schriftzug WERKZEUGE ALLER ART.
    Auf der Galerie schien es den Mächtigen im Staat die Sprache verschlagen zu haben. Nur die Stimme der Genossin – ganz heiser schon vor Hass – war zu vernehmen, die hinausbellte: „Schaut euch diesen konterrevolutionären Mob doch nur an, reinste Unterwelt. Übern Haufen schießen müsste man die Kanaillen, ein regelrechtes Exempel statuieren. Leider sind wir hier ja nicht in Rumänien! Steht unsere Volksarmee eigentlich noch auf der Seite der Werktätigen? Aber das kommt davon, wenn man nicht rechtzeitig durchgreift mit eiserner Faust; auf diesem Platz da in China, ja, da haben sie es richtig angefangen...!" Denn schließlich war ja die Einheitspartei immer noch die vermögendste Klasse im Land, gewaltige Tatkraft und riesige Besitztümer nannte die Avantgarde der menschlichen Gesellschaft ihr eigen. „Und sie haben das Geschmeiß“, keifte die Genossin weiter, „mit dieser dämlich-erfundenen Meldung von einem sogenannten Reisebeschluss ja direkt aufgerufen, sich auf dem Kudamm zusammenzurotten, um mit einem Dolchstoß ihrer Republik in den Rücken zu fallen.“
    Die Sympathien der Menschen am Rande waren unübersehbar und nicht zu überhören. Vor Inter- und Palasthotel standen die Belegschaften Spalier, aus einem Fenster des Franziskanerklosters hielt eine junge Person ein Kreuzbanner, Menschen mit Wunderkerzen winkten aus den Fenstern, viele Anwohner klatschten frenetisch Beifall.
     
    Am späten Nachmittag – längst hatte der November doch den nahenden Winter angekündigt, Raureif lag auf den Zweigen im Volkspark Friedrichshain – blies ein kalter Ostwind den marschierenden Berlinern ins Gesicht, zauste die Bäume und wehte die letzten welken Blätter, die sich noch an die Äste klammerten, zu Boden. Das Herbstlaub der Alleebäume raschelte unter ihren Füßen, als die Menschen mit vorgebeugtem Körper gegen den heftigen Wind ankämpften. Schon seit langem kümmerte sich niemand mehr um die Anlagen; alles machte einen verwahrlosten Eindruck.
    „Keiner weiß, was morgen geschieht“, waren die häufigsten Worte, hoffnungsvoll vorgebracht vor allem, mit wenig Skepsis, und alle Leute schienen total aus dem Häuschen, derweil sich zugleich die kalten dichten Nebelschwaden des heraufziehenden Novemberabends legten über die Stadt Berlin.
     
    Bei der Genossin Wagner-Gewecke hatte sich eine kleine, aber feine Gesellschaft zusammengefunden. Ein Stasi-General – seit Tagen schon auf vorläufigem Urlaub – las mit verächtlicher Miene einen Text der herrschenden Partei von einem Flugblatt des ZK: „Unser aller gemeinsame Sorge und Verantwortung gilt hier und heute der Entwicklung unserer Stadt und unseres Landes, die uns betroffen macht und nach einer alsbaldigen Lösung suchen lässt. Wir alle benötigen einen freien Meinungsaustausch über die Weiterführung des Sozialismus in unserer Republik. Deshalb versprechen wir allen Bürgern, alle Kraft und Autorität dafür einzusetzen, dass dieser Dialog friedlich geführt werden kann, wozu wir dringlich um Besonnenheit bitten.“ Der General, eine abwartende Haltung eingenommen habend, hielt inne beim erneuten Anzünden seiner Havanna, die ihm ausgegangen war. Dem greisen Herrn Uffo La Mettrie fiel sein Glasauge selbsttätig aus dem Kopf.
    „Die Bagage wird enttäuschte Hoffnungen ernten!“ bellte die Genossin und meinte die Opposition. „Sie werden rennen, sich noch schnell die Arbeitslosenunterstützung abzuholen!“
    So

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